Berg-Ge(he)n

Jahresrückblick 2021

Schon wieder geht ein Corona-Jahr zu Ende: Ein langer Lockdown zu Beginn und in der Folge weitere Einschränkungen, Impfungen und viele, viele Tests waren für alle ein wesentlicher Bestandteil des Jahres 2021. Aber neben 3G, 2G und 2G+ blieb glücklicherweise noch viel Platz für zahlreiches Berg-G[ehen]. Jedoch definitiv ohne Plus, denn dafür war nach meinem Geschmack der Sommer viel zu schlecht …

Früher Saisonstart

In jedem Frühjahr schaue ich sicherlich mindestens zwei Mal am Tag auf meine bevorzugten Bergwebcams: wie viel Schnee liegt noch? Sind die ersten Südhänge bereits begehbar? Welche Tour könnte schon klappen, welcher Gipfel bereits erreichbar sein? In diesem Jahr leistet die Frühlingssonne ganze Arbeit – und bereits Ende April kann ich Touren unternehmen. Gerade am Schweinsberg erlebe und sehe ich dabei aber neben dem ersten, frischen Grün auf den Südhängen aber auch noch geschlossene Schneedecken auf den schattigeren Nordhängen. Mir gefällt’s so gut – und meine Bergleidenschaft ist auch schnell aus dem Winterschlaf erwacht! -, dass ich gleich am nächsten Tag noch eine kurze Runde über die Hörnle drehe: die Schuhe sind ja sowieso ordentlich verschlammt, da lohnt sich das Putzen nach nur einer Tour sonst auch gar nicht.

Am Gipfel des Schweinsberg liegt natürlich noch Schnee

Nicht jeder Vorsatz klappt

Zwar kann ich Anfang Mai mit der Überschreitung des Hirschhörnlkopfs gleich die nächste Tour folgen lassen, aber dann wird das Wetter bestenfalls durchwachsen: die Wochenenden sind oft trüb und verregnet und ich habe nur wenige Gelegenheiten für Bergtouren. Das alljährliche Ziel von etwa 40 Bergtagen kommt schnell außer Sicht, zum Ausgleich drehe ich zahlreiche Runden im Englischen Garten. Das ist zwar wenig spannend, aber so bleibe ich wenigstens etwas in Bewegung. Von in Form bleiben möchte ich allerdings nicht sprechen, denn diese scheint mir völlig abhanden gekommen zu sein.

Auch Ende Mai liegt noch Schnee am Risserkogel

Aber auch örtliche Vorsätze sind zumindest zeitweise außer Reichweite: je nach Coronalage ist ein Abstecher nach Tirol nur unter Auflagen möglich. Viele attraktive Ziele im Karwendel und am für mich mit dem Zug erreichbaren Südrand der Ammergauer Alpen sind nur mit Impfnachweis oder aktuellem Test zugänglich. Immerhin habe ich Ende Juni den Termin für meine erste Impfung und kann somit im Spätsommer meine Wunschziele für dieses Jahr wieder bequem anfahren.

Und bis es soweit ist, begnüge ich mich – wenn das Wetter es denn mal zulässt – vor allem mit der Erkundung des Vorkarwendels: hier war ich bisher so gut wie gar nicht unterwegs. Mit den zahlreichen Fahrten des Bergsteigerbusses in Richtung Eng ergeben sich hier zahlreiche neue Tourenmöglichkeiten, die ich gerne nutze, zum Beispiel zum Grasköpfl. Auch, wenn in diesem Jahr jede einzelne Rückfahrt dank der Baustellenampel an der Brücke über den Sylvensteinspeicher zur Pünktlichkeitslotterie wird. Wenigstens stehen die Individualfahrer im gleichen Stau …

Der Sylvensteinspeicher ist ein Blickfang von den Gipfeln des Vorkarwendels

Erste Kletterfahrung am Fels

Unerwartet ergibt sich Anfang Juni eine Gelegenheit, mit einer erfahrenen Klettererin ein paar Tage im Frankenjura zu verbringen. Am ersten, sonnigen und warmen Klettertag im Hirschbachtal erlerne ich die wichtigsten Techniken: korrekt ins Seil einbinden, ein- und ausclippen und natürlich die Grundlagen des Sicherns. Und dann geht’s auch schon an die ersten Routen – was für eine Herausforderung, denn mit meiner nur sehr mäßig ausgeprägten Schwindelfreiheit muss ich das eine oder andere Mal dann doch ganz tief durchatmen. Am nächsten Tag kommt mir der morgendliche Regen nicht ungelegen und meine geplagte Armmuskulatur kann sich etwas länger erholen: erst am Nachmittag geht’s somit wieder an den Fels. Nach zwei Fünfern probiere ich (natürlich top rope) eine Route im VI. Schwierigkeitsgrad, schaffe aber nur die ersten boulderartigen Meter. Ausdauer in den Armmuskulatur habe ich offenbar gar keine …

Bestes Kletterwetter – zumindest am ersten Tag im Frankenjura! (Quelle: Maria S.)

Der dritte Tag bringt eine Unwetterwarnung ab dem Mittag mit sich: wir starten also früh und klettern, solange es trocken ist. In neue Schwierigkeiten stoße ich nicht vor, klettere aber einen einfachen Kamin, der mir sehr gut gefällt. An einer direkt daneben liegenden Route werde ich mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert: ich verpasse die Routenführung und lande im Siebener-Gelände. Und wenn ich schon mal da bin, probiere ich diese Nachbarroute natürlich aus. Aber außer schmerzenden Fingern, gummiartigen Armen und nach Erholung lechzenden Zehen kann ich – wenig überraschend – kaum zählbare Erfolge vorweisen. Ich bin fast ein wenig froh, dass kurz darauf der Starkregen kommt und ich mich endlich, endlich nach drei Tagen Klettern ausruhen kann. Dennoch waren es schöne, erfahrungsreiche Tage und die erste Klettererfahrung hat mir sehr gut gefallen!

Kaum zu glauben: der Regen kommt erst in drei Stunden …

Intensive Urlaubserlebnisse in den Münchner Hausbergen

Der Spätsommer ist in den Vorjahren immer eine gute Gelegenheit gewesen, in Südtirol mehr oder weniger abgelegene Täler kennenzulernen und durchaus höhergelegene Gipfelziele anvisieren zu können. Aber nachdem die Coronalage lange nicht besser wird und sich zudem private Veränderungen Anfang des Jahres ergeben haben, verzichte ich auf die konkrete Planung eines Sommerurlaubs in Südtirol. Da ich schließlich vier Wochen frei habe, sollte sich all das auch noch spontan ergeben können! Aber wie das mit Plänen ist, so geht eben nicht jeder auf: Immerhin schaffe ich in der ersten fast völlig verregneten Urlaubswoche zwei Touren, wobei sich im regennassen Maurersteig der Hang zu Herausforderungen schon andeutet: die nächsten Wochen werden intensive Bergerlebnisse im Gepäck haben!

Für einen kurzen Moment reißt im Maurersteig die Wolkendecke auf

Steinfalk

Fallen meine ersten Urlaubstouren zum Aufholen meiner Konditionsdefizite noch etwas kürzer aus, steht Anfang September mit dem Besuch des Steinfalks und der Übernachtung in der frisch sanierten Falkenhütte ein erster Saisonhöhepunkt auf der Agenda. Nach dem langen Anmarsch zur Hütte durch das Laliderer Tal umgehe ich den Mahnkopf und steige über steile Wiesen zu den interessanteren und durchaus anspruchsvollen Passagen auf: ausgesetzte Abschnitte, Schuttreißen, eine vermeintliche Einser-Stelle, die sicherlich als Zweier durchgeht, und wieder leichtere, anregende Kraxeleien auf den letzten Metern zum Gipfel.

Die Nachmittagssonne verwöhnt den Risser Falk

Dort angekommen kann ich die Pause nicht so gut wie sonst genießen, denn ich habe viel Respekt vor dem Abstieg – schließlich bin ich der Letzte am Gipfel. Meine Sorgen sind aber unbegründet, denn auch im Abstieg klappt alles auf Anhieb und ich erinnere mich sehr gut an die Griffmöglichkeiten der Kraxelstelle. Pünktlich zum Abendessen erreiche ich wieder die Falkenhütte – und falle nach einem untypischen Hüttenessen (Schnitzel mit Kartoffelsalat!) in meinen Schlafsack. Da das Lager coronabedingt recht leer ist, erhole ich mich für eine Hüttenübernachtung ungewohnt gut. Das Frühstücksbuffet ist reichhaltig und so statte ich mit neuen Kräften vor dem Abstieg in die Eng noch dem Mahnkopf einen kurzen Besuch ab: ich bin der erste Besucher an dem Tag und kann die Morgenstimmung am Gipfel genießen!

Morgendlicher Tau auf einem Edelweiß am Mahnkopf

Freiungen-Höhenweg

Eine Woche später folgt bereits die nächste Hüttentour, diesmal allerdings nicht im Herzen des Karwendels, sondern an dessen Rand: ich starte im touristischen Hotspot Seefeld und lasse natürlich die Seilbahn links liegen. Ganz im Gegensatz zu meinen Großeltern, die fünfzig Jahre zuvor ebenfalls die Seefelder Spitze bestiegen haben. Das dabei entstandene Filmfragment habe ich in meiner Kindheit einmal sehen dürfen. Vermutlich und hoffentlich bin ich heute etwas dynamischer als meine Vorfahren unterwegs – und habe mit der Reither Spitze einen weiteren Gipfel auf dem Weg zur Nördlinger Hütte noch vor mir.

Abendstimmung auf der Nördlinger Hütte weit über dem Inntal

Nach einer unruhigen Nacht im stickigen Lager wartet mit dem Freiungen-Höhenweg ein lang gehegter Tourenwunsch auf mich. Reichlich optimistisch habe ich mir vorgenommen, direkt nach dem Höhenweg noch den Klettersteig von der Eppzirler Scharte zur Erlspitze anzuschließen. Die Klettersteigausrüstung hält mich aber nicht ab, den Höhenweg zügig anzugehen. Zunächst komme ich gut voran, doch bald wird die zwar moderate, aber andauernde Ausgesetztheit unangenehm: zur rechten Seite geht’s fast überall zügig in die Tiefe. An der Kuhljochscharte bin ich schon etwas weichgekocht, so dass ich die nahe Kuhljochspitze auslasse – und stattdessen eine Erholungspause einlege.

Ein typischer Abschnitt auf dem Freiungen-Höhenweg

Der letzte Abschnitt des Höhenwegs beginnt mit reinem Gehgelände, führt mich aber vor der Eppzirler Scharte noch einmal in unangenehm rutschige wie ausgesetzte Passagen. Ich bin sehr froh, unterhalb der Scharte dann endlich alle Schwierigkeiten überwunden zu haben: für den Klettersteig reicht die Zeit wegen der nachmittäglichen Gewittergefahr nicht mehr aus, ich eile aber dennoch in bester Stimmung über die Schuttreißen nach unten. Es tut mir sichtlich gut, in sicherem Gelände angekommen zu sein – und binnen kürzester Zeit erreiche ich das Solsteinhaus. Der folgende Abstieg nach Hochzirl ist dann nur noch Formsache: wieder eine nicht ganz einfache Tour geschafft!

Am Solsteinhaus öffnet sich noch einmal der Blick ins Herzen des Karwendels

Vorderer Igelskopf

Auch der längste Urlaub geht einmal zu Ende: die vier Wochen sind verflogen, der Abstecher nach Südtirol hat nicht geklappt. Aber am vorletzten Urlaubstag folgt noch einmal bestes Spätsommerwetter: eine ausgezeichnete Gelegenheit, einen neuen Anlauf zum Vorderen Igelskopf zu unternehmen. Dieser der Mieminger Kette vorgelagerte Gipfel wird eher selten besucht, der Steig zum Gipfel ist auch eine kleine psychische Herausforderung: die Mischung aus steilen Schuttrinnen und bröseligen Schrofen ist heikler, als es zunächst aussieht – und runter muss ich dort auch wieder … Mit dem vielen Training der letzten Wochen bin ich aber zuversichtlicher geworden – und der Ausblick vom erwartungsgemäß einsamen Gipfel entschädigt für den spürbar erhöhten Puls. Eine sehr empfehlenswerte Tour!

Bei diesem Tiefblick ins Gaistal sind die Mühen des Anstiegs bereits vergessen

Knieprobleme im Herbst

Viele Jahre sind vergangen, als mir eine Schleimbeutelentzündung im Knie einmal das Bergjahr verkürzt hat. Glücklicherweise bin ich seitdem von größeren Kniebeschwerden verschont geblieben – aber im Abstieg von der wunderschönen Überschreitung des Schafreiters geht’s wieder los: das charakteristische Zwicken im Knie kommt mir noch allzu bekannt vor. Ich versuche dennoch, die Passage vom Delpssee ins Krottenbachtal zu genießen und schone mich auf dem anschließenden Hatscher zurück nach Fall. Blöderweise ist auch am Folgetag noch schönes Wetter angekündigt. Ich kann natürlich nicht widerstehen und steige im Föhnschatten über den Marxersteig zum Kofel hinauf. Keine gute Entscheidung, denn auf dem Rückweg ins Tal werde ich wegen der einsetzenden Knieschmerzen immer langsamer. Da kommt die Arbeitswoche zwecks Schonung gerade recht!

Der Herbst hat im Krottenbachtal bereits begonnen

Ein paar Tage entlastende Ruhe für mein Knie sollten eigentlich ausreichen – finde zumindest ich, denn bereits am folgenden Wochenende ist allerbestes Herbstwetter angekündigt. Vernünftig wäre es sicherlich, das Knie weiterhin zu schonen und auf eine Tour zu verzichten – aber ich kann natürlich nicht widerstehen und wähle zudem mit dem Gamsjoch auch nicht gerade die kürzeste Tour aus. Ich bereue meinen Optimismus schon nach ein paar hundert Höhenmetern, bin aber so begeistert von dem großartigen Tag, dass ich bis zum Gipfel durchhalte. Und es lohnt sich: in den Höhen hat der Winter bereits begonnen und ich genieße die großartigen Tiefblicke in die herbstlichen Täler. Der Abstieg wird dann allerdings schmerzhaft, aber ich erreiche sicher, jedoch auch sehr langsam, den Großen Ahornboden mit seinen berühmten Bergahornbäumen.

Perfektes Herbstwetter am Gamsjoch!

Die endgültig notwendige Schonung meines Knies beginnt dann auch am nächsten Tag: ein langer, ebenerdiger Spaziergang im Nymphenburger Park gehört dann allerdings bereits zu einer anderen, schönen Geschichte …

Mein Bergjahr 2021 in Zahlen

  • Bergtage: 26
    • davon Feierabend- und Sonnenuntergangstouren: 2
  • Gipfel: 44
    • kein Dreitausender
    • 14 Zweitausender
    • 30 Eintausender
  • Höchster Gipfel: Gamsjoch, 2452 m
  • Häufigster Initialbuchstabe der Gipfelnamen: S wie z. B. Seebergschneid oder Steinfalk
  • Höhenmeter: im Aufstieg ca. 25.700, im Abstieg ca. 27.200
  • Zurückgelegte Distanz: ca. 382 km
  • Besuchte Hütten: 5

Fazit

Am Ende des Jahres blicke ich auf zwar vergleichsweise wenige Touren, aber dennoch schöne Bergtage mit überraschend vielen neu entdeckten Gipfeln in den Münchner Hausbergen zurück. Besonders gut haben mir zunächst die vielen Touren im Vorkarwendel gefallen: ein unterschätztes Gebiet mit zahlreichen, einsamen Steigen und Wegen, zudem mit dem Bergsteigerbus in die Eng neuerdings perfekt angebunden. Aufregender waren dann die Touren im Spätsommer und Herbst: viele Höhenmeter, lange Strecken und natürlich ein paar anspruchsvolle Passagen sind ganz nach meinem Geschmack gewesen!

Wie war Dein Bergjahr? Wo warst Du in diesem Jahr unterwegs, was waren Deine Highlights? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

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