Berg-Ge(he)n

Das Knie zwickt am Kofel

Jenseits von Oberammergau liegt der Hörnle-Höhenrücken

Nach den einsetzenden Kniebeschwerden am Vortag beim Abstieg vom Delpssee nach Fall suche ich mir vorsichtshalber für heute eine kurze Tour aus. Die Auswahl dauert nicht lange, denn ich entscheide mich rasch für einen Besuch des markanten Hausbergs von Oberammergau. Auf den Kofel führt ein alter Steig, den ich noch nicht begangen habe. Eine gute Gelegenheit also, den Marxersteig zu erkunden – das Knie wird schon halten.

Aufstieg über den Marxersteig

Es ist gar nicht so einfach, etwas über den Marxersteig zum Kofel in Erfahrung zu bringen. Die Alpenvereinskarte schweigt sich jedenfalls aus – ohne eine (im Übrigen ausgezeichnete) Veröffentlichung von Joachim Burghardt zu vergessenen Pfaden in den Bayerischen Hausbergen wäre mir dieser nordseitige Zustieg wohl noch lange verborgen geblieben. Ich bin gespannt, was mich heute erwarten wird!

Auf dem morgendlichen Weg vom Bahnhof an den Fuß des Kofels bin ich ein wenig irritiert. Offenbar findet heute eine Laufveranstaltung in Oberammergau statt, zahlreiche Wege sind gesperrt. Ich gelange aber erstaunlicherweise auf dem geplanten Weg zur bekannten Kreuzigungsgruppe, die zu ihrer Errichtung das damals größte steinerne Denkmal der Welt gewesen war. Gestiftet wurde die Gruppe aus bayerischem Marmor natürlich vom Kini persönlich – die Staatskasse wird die im Vergleich zu den Baukosten seiner berühmten Schlösser geringe zusätzliche Summe von 400.000 Gulden wohl gerade noch so verkraftet haben. Heutzutage ist an der Kreuzigungsgruppe natürlich viel weniger los als an den Königsschlössern, Reisebusse voller Ludwig II.-Touristen wird man hier vergeblich suchen.

Die Kreuzigungsgruppe liegt einsam in den ersten Sonnenstrahlen des Tages
Die Kreuzigungsgruppe liegt einsam in den ersten Sonnenstrahlen des Tages

Den Einstieg in den Marxersteig finde ich wenig später problemlos, denn dieser ist deutlich breiter und wohl mittlerweile (wieder?) deutlich mehr begangen als vermutet. Auch wenn das Gelände ziemlich steil ist, ist der Steigverlauf gut angelegt und nutzt das Gelände ausgezeichnet aus: in Rampen geht es empor, der Steig selbst hat nur sehr wenige Stufen und führt meistens über angenehmen Waldboden. Die felsigen Wände des Kofels rücken nur hin und wieder näher, einmal entdecke ich ein paar Bohrhaken der Kletterrouten

Eine der wenigen Passagen direkt entlang von Felswänden
Eine der wenigen Passagen direkt entlang von Felswänden

Föhn am Kofel

Erst im oberen Bereich wird der Steig etwas anspruchsvoller: zwei Felswände rücken näher zusammen – und was das bedeutet, kann man sich auf den letzten Metern schon ausmalen. Es wird jetzt sehr steil – und irgendwann kommt eine ausgesetzte, felsige Passage!

Die Kehren werden enger, das Gelände immer steiler
Die Kehren werden enger, das Gelände immer steiler

Zunächst sieht der Steig noch ganz prima aus, die erste Seilsicherung erscheint mir noch nicht notwendig zu sein. Das ändert sich rasch und bald greife ich beherzt ins Stahlseil. Wenige Momente später stehe ich dann bereits auf dem Normalweg zum Gipfel. Und hier steppt der Bär, trotz der noch frühen Uhrzeit sind bereits mehrere Gruppen unterwegs.

Die Versicherungen am Gipfelaufschwung sind kürzlich vorbildlich saniert worden
Die Versicherungen am Gipfelaufschwung sind kürzlich vorbildlich saniert worden

Im versicherten Aufstieg zum Gipfel bedeutet das ein wenig Wartezeit, bis auch ich am höchsten Punkt ankomme. Ich suche mir auf dem Kofel rasch ein windgeschütztes Eck, denn der angekündigte Föhn zieht ordentlich über den Gipfel. Auf meiner Aufstiegsroute habe ich davon erfreulicherweise nichts mitbekommen, jetzt ziehe ich mir aber dann doch noch die Jacke über. Noch ein paar Fotos, dann mache ich mich schon wieder an den Abstieg in Richtung Königssteig.

Oberammergau liegt direkt am Fuß des Kofels
Oberammergau liegt direkt am Fuß des Kofels

Knieschmerzen beim Abstieg

Bereits auf den ersten Abstiegsmetern spüre ich mein Knie: das wird noch ein schmerzhafter Abstieg werden. In den versicherten Passagen kann ich durch geschicktes Absteigen die Knieprobleme noch etwas verdrängen, aber weiter unten wird’s holpriger – und immer schmerzhafter. Der Königssteig ist dann wenigstens flach, so dass ich recht gut vorwärts komme.

Vom Königssteig zeigt sich noch einmal der Kofel
Vom Königssteig zeigt sich noch einmal der Kofel

Aber der schlimmste Teil kommt ja erst noch, der anschließende Steig in Richtung Oberammergau lässt meinen Elan vollständig zur Ruhe kommen. Auch auf dem weiter unten gelegenen Forstweg wird’s kaum besser. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, mache aber dann kurz vor Oberammergau auf einer Bank eine dringend benötigte Pause. Ich bleibe so lange dort sitzen, bis ich passgenau zum Bahnhof schlendern kann. Laufen möchte ich meine Fortbewegung jedenfalls kaum mehr nennen …

Ein letzter Gipfelblick aus dem herbstlichen Laubwald bei Oberammergau
Ein letzter Gipfelblick aus dem herbstlichen Laubwald bei Oberammergau

Fazit

Selten habe ich mich so auf den nächsten Home Office-Tag gefreut wie an diesem Tag: am heimischen Schreibtisch lässt sich die vermutete Schleimbeutelentzündung jedenfalls am besten auskurieren. Abgesehen von den Kniebeschwerden war es jedenfalls ein schöner Bergtag. Der Marxersteig ist sehr empfehlenswert – und der Kofel sowieso immer einen kurzen Besuch wert!

Tourendatum: 3. Oktober 2021

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