Die Erkundung des Vorkarwendels ist mein großer Schwerpunkt in diesem Bergjahr. Nach einigen anderen schönen Zielen in den Vorwochen wird es Zeit, dorthin zurückzukehren. Zwar habe ich den zweithöchsten Gipfel des Vorkarwendels, den Schafreiter, bereits vor einigen Jahren besucht, aber drei Anstiege auf diesen formschönen Berg kenne ich noch nicht. Zwei davon kombiniere ich heute zu einer nahezu einsamen Überschreitung aus dem Rißtal bis zum Sylvensteinspeicher.
Inhalt
Einsamer Steig zur Moosalm
Heute verlasse ich den morgendlichen Bergsteigerbus in Richtung Eng zum ersten Mal überhaupt an der Oswaldhütte. Von dort ist es nicht weit zum Beginn des alten Steigs zur Moosalm, von dem ich bei der Vorbereitung meiner Vorkarwendeltouren gelesen haben. Seitdem der neugebaute Fahrweg den offiziellen Weg für Fußgänger aufnehmen darf, ist es um den alten Steig ruhig geworden. Ich finde glücklicherweise den Einstieg auf Anhieb und genieße in der folgenden Stunde die wohltuende Ruhe: ich sehe und höre nämlich keine einzige menschliche Seele. Der Steig selbst ist gut in Schuß und lässt sich vorzüglich gehen. Eine eindeutige Empfehlung für alle, die keine Lust auf Forststraßen haben!
Erst im oberen Bereich lässt sich die Nähe zur Moosenalm nicht mehr leugnen: die Wiesen sind dort feucht, der Steig verläuft sich und ich improvisiere ein wenig beim Übergang zurück zum Fahrweg im Sattel oberhalb der Alm. Dort ist gerade einiges los, denn die Kühe werden heute ins Tal getrieben. Die Glocken werde ich noch einige Zeit hören, als ich mich an den weiteren Anstieg in Richtung Schafreiter mache.
Zurück im Vorkarwendel
Mit jedem Höhenmeter wird die Aussicht besser, spätestens am Kälbereck bin ich auch gedanklich zurück im Vorkarwendel: ich freue mich über den Blick zum Graskopf genauso wie über den schönen Ausblick zu den höchsten Karwendelgipfeln. Mit den schönen Panoramen zu beiden Seiten packt mich der Ehrgeiz: schaffe ich es ohne Pause bis zum Gipfel des Schafreiters? Bisher habe ich noch keine Trinkpause benötigt und den Rucksack nur für Fotostopps abgenommen.
Glücklicherweise ist es noch recht frisch, so dass ich noch genügend Kräfte mobilisieren kann. Ich überhole zwar noch zwei kleinere Grüppchen, besonders schnell bin ich jedoch nicht mehr unterwegs. Dabei habe ich sogar das große Glück, dass ich noch ein Foto vom einsamen Gipfel machen kann, bevor die nächsten Besucher nach mir am Gipfel eintrudeln. Ich vermisse dabei lediglich die zahlreichen Schafe, die bei meinem letzten Besuch am Schafreiter den Sonnenaufgang am Gipfel genossen haben. Vermutlich sind sie ebenfalls bereits ins Tal getrieben worden, nur ihre Hinterlassenschaften machen es auch heute nicht ganz einfach, einen gemütlichen Sitzplatz zu finden.
Selten habe ich mir die Gipfelpause so verdient wie an diesem schönen Bergtag. Endlich sitzen, ausruhen und den Kohlenhydratspeicher auffüllen. So schön der Anstieg zum Schafreiter auch gewesen ist, so erholsam ist diese aussichtsreiche Pause. Aber es bleibt recht frisch, der Herbst hat in den Bergen endgültig Einzug gehalten …
Rascher Abstieg vom Schafreiter zur Tölzer Hütte
Bald packe ich wieder zusammen und beginne den Abstieg in Richtung Tölzer Hütte. Die ersten steilen Passagen absolviere ich zügig, dann wird’s allerdings zäh. Immer mehr Gipfelaspiranten kommen mir entgegen und auf dem oft schmalen Steig muss ich – häufiger als mir liebt ist – den Gegenverkehr abwarten. Etwas überraschend wird’s bald wieder ruhiger, ich kann noch an ein paar Fotos von den bekannten Steinmandln machen. Besonders schön ist es hier natürlich in den Morgen- und Abendstunden, aber ich bin einigermaßen zufrieden mit meiner mittäglichen Ausbeute.
Auch im zweiten Teil des Abstiegs bleibt es gewohnt steil, aber im Gegensatz zum Steig zum Büchsentaljoch in der Vorwoche klappt es heute mit dem Gedächtnis schon deutlich besser. Ich erinnere mich noch an viele Passagen und komme zügig voran. Die steilen Rinnen direkt oberhalb der Tölzer Hütte werden dadurch zwar nicht flacher, dennoch stehe ich bald neben der kürzlich sanierten Hütte. Ich überlege noch, ob sich eine Einkehr lohnt, entscheide mich dann aber doch dagegen. In Fall wartet ja noch mein Stammbiergarten in diesem Jahr auf mich … 🙂
Herbstfarben am Delpssee
Der Steig hinunter zum Delpssee leitet mich direkt in den Herbst. Ich kann immer wieder erste Herbstfarben ausmachen, das Gras verliert schon seine grüne Farbe und die tiefer stehende Sonne zaubert eine sanfte Farbstimmung in die Landschaft. Natürlich ist auch hier keine Menschenseele zu sehen, bereits seit der Tölzer Hütte bin ich wieder ganz alleine unterwegs. Beim Abstieg schaue ich genau auf die Südwestkante des Stierkopfs, die ich als Abstiegsvariante der Tour zum Kotzen angedacht hatte. Allerdings werde ich sie auch heute nicht begehen – irgendwann wird die Gelegenheit schon noch kommen.
Mein Abstiegsweg vom Delpssee in Richtung Fall folgt dem Krottenbach in dessen Tal. Was unspektakulär klingt, entpuppt sich als echter Tourenhöhenpunkt: das Rauschen der Wasserfälle begleitet mich auf dem steilen Steig, der zwei Mal ohne Brücke den Krottenbach überquert. Das damit verbundene Vergnügen ist rutschig und bei der zweiten Querung eine kleine Herausforderung, glücklicherweise behalte ich trockene Füße.
Nach einigen steilen Passagen läuft der Steig langsam aus und erreicht, bereits im Talboden angekommen, eine weitere Bachquerung. Laut Karte sollte hier eine Brücke sein, die sich allerdings gerade in einer Phase der Erneuerung befindet. Das ist etwas unglücklich, denn das Ufer ist steil und der Bachlauf schon etwas breiter als im Abstieg zuvor. Einige Meter aufwärts findet sich allerdings ein paar günstig positionierte Steine.
Mal wieder Stau an der Baustellenampel
Endgültig auf der linken Seite des Krottenbachs angekommen erreiche ich wieder einen guten, gemütlichen Steig. Nach einiger Zeit geht dieser allerdings in einer hochgradig langweiligen Forststraße auf, eine giftige Gegensteigung inklusive. Also heißt es mal wieder: Kopf aus und Füße an. Bis Fall sind’s aber noch einige Kilometer, die sich mächtig ziehen. Vor allem, weil das rechte Knie anfängt zu zwicken. Hoffentlich nichts ernstes.
Ausnahmsweise kehre ich heute nicht in meinem Stammbiergarten in Fall ein. Ich bin recht pünktlich zur Abfahrt des Busses angekommen und ziehe eine frühere Rückfahrt vor. Mein Plan geht aber nicht so wirklich auf. Denn wieder einmal kommt der Bus wegen des altbekannten Staus an der Brückenbaustelle alles andere als pünktlich: der Rückstau von der Baustellenampel reicht auch heute weit über Fall zurück in Richtung Vorderriß. Ich ertrage es mit Fassung, denn der Bergsteigerbus wird in wenigen Tagen – wie immer im Herbst – seinen Betrieb einstellen. Somit ist es vermutlich meine letzte Fahrt mit dieser großartigen Buslinie in diesem Jahr. Ich bin sehr dankbar, dass es diese Fahrtmöglichkeit überhaupt gibt: viele meiner diesjährigen Touren hätte ich sonst nicht durchführen können. Nächstes Jahr geht’s glücklicherweise mit dem Bergsteigerbus wieder weiter!
Fazit
Der Schafreiter ist natürlich kein unbekannter Gipfel, sondern wird gern und häufig besucht. Wer aber die richtigen Wege auswählt, kann einen so schönen wie ruhigen Tag erleben. Besonders gut gefallen hat mir der Abstieg vom Delpssee ins Krottenbachtal – hier komme ich gerne wieder vorbei!
Tourendatum: 2. Oktober 2021
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