Berg-Ge(he)n

Über das Feuereck zum Rabenkopf

Vom Rabenkopf geht der Blick zurück über das Feuereck

Eigentlich habe ich mich mit dem Ende der Bergsaison bereits abgefunden, als Mitte November sich noch einmal eine für wenige Tage stabile Hochdruckphase mit vergleichsweise angenehmen Temperaturen und Inversionswetterlage abzeichnet. Perfekt, jetzt braucht’s nur noch eine geeignete Tour. Meine Wahl fällt schließlich auf den Rabenkopf, der sich direkt am Alpenrand erhebt. Allerdings weniger, weil mich der Gipfel besonders reizen würde, schließlich war ich schon einige Male und zu verschiedenen Jahreszeiten dort oben. Sondern vielmehr, weil in seinem Westen noch einige kleinere, nahezu unbekannte Gipfel auf einen Besuch warten. Eine gute Gelegenheit, meine Gipfelliste in der Region um Kaltwasserwand, Bergelskopf und Feuereck weiter zu vervollständigen!

Langer Anmarsch

Die morgendliche Zugverbindung nach Kochel klappt vorzüglich, so dass ich mich pünktlich auf meinen langen Weg zum Rabenkopf mache. Es ist bewölkt, aber die Inversionswetterlage verspricht über der niedrig hängenden Wolkendecke strahlenden Sonnenschein. Ich bin zwar neugierig, wo ich die Sonne erreichen werde, aber die nächste Zeit muss ich mich mit der morgendlichen Kälte noch arrangieren.

Morgenstimmung in Kochel
Morgenstimmung in Kochel

Bald erreiche ich den Fuß der Sonnenspitze, die erst zwei Wochen zuvor besucht habe. Mit dem guten Gefühl, jeden Meter und jedes Steinchen des Forstwegs persönlich zu kennen, eile ich der Sonne entgegen. Die Wolkendecke rückt bald näher, aber es dauert noch eine Kehre, bis es endlich so weit ist: Sonne, Licht und Wärme tun an diesem Novembertag besonders gut!

Endlich oberhalb der Wolkendecke!
Endlich oberhalb der Wolkendecke!

Kaltwasserwand

Ich umgehe die Sonnenspitze auf dem nicht besonders spannenden Fahrweg und studiere die Kaltwasserwand ausgiebig von ihrer Nordostseite: trotz ihrer geringen Höhe strahlt sie eine gewisse Präsenz über dem Einschnitt des Laingraben aus. Auf ihrer Rückseite wird das Gelände sanfter, aber immer noch steil. Sicherlich würde man hier auch aufsteigen können, aber ich folge geduldig den Wegen bis zu ihrer Ostseite.

Sonne tanken auf dem Weg zur Kaltwasserwand
Sonne tanken auf dem Weg zur Kaltwasserwand

An einer Diensthütte angekommen verlasse ich das offizielle Wegenetz und mache mich auf die Suche nach einem kleinen Pfad, der mich zu einem schönen Aussichtspunkt am Ende der Kaltwasserwand führen soll. Ich habe Glück – oder den richtigen Riecher? – und finde schnell den Zustieg. Weiter geht es immer über den bald schmaler werden Grat, der keinen besonders ausgeprägten Gipfel aufweist.

Der kleine Steig zur Kaltwasserwand ist interessanter als gedacht!
Der kleine Steig zur Kaltwasserwand ist interessanter als gedacht!

Nur wenige Minuten später stehe ich direkt über dem Abgrund und genieße den Ausblick über das wolkenverhangene Oberland. Eine nicht allzu lange Pause ist natürlich drin, auch wenn noch drei Gipfel auf mich warten!

Herbstfarben dominieren den Blick von der Kaltwasserwand
Herbstfarben dominieren den Blick von der Kaltwasserwand

Bergelskopf

Ich verlasse die Kaltwasserwand auf dem kleinen Steig, auf dem ich gekommen bin. Ein Fahrweg leitet mich weiter in Richtung der Kochler Oberalm. Im letzten Sattel zum schon nahen Feuereck biege ich ab, um vorher noch dem Bergelskopf einen Besuch abzustatten. Der dazugehörige Steig ist überraschend gut ausgeprägt, weicht aber bald vom direkten Anstieg in die Flanke aus – und ich merke erst ein zweihundert Meter später, dass ich nicht richtig unterwegs bin. Also ist umdrehen und genauer hinschauen angesagt!

Wenigstens erhasche ich einen ersten Blick zum Feuereck
Wenigstens erhasche ich einen ersten Blick zum Feuereck

Tatsächlich entdecke ich rasch, wo ich den eigentlichen Gipfelanstieg verloren habe. Dank der niedrigen Höhe stehen dort noch viele Laubbäume, deren herbstliches Laub ganze Arbeit geleistet hat. Mit etwas Fantasie und der nötigen Erfahrung verliere ich den Steig nun bis zum Gipfel nicht mehr, in den letzten Wochen sind hier aber kaum Menschen unterwegs gewesen. Erst kurz vor dem höchsten Punkt finden sich nennenswerte Spuren bei der Umgehung eines kleinen Felsenaufschwungs. Zwei Minuten später stehe ich am unauffälligen Gipfel, der in Form einer nach Norden steil abfallenden Felswand ausgebildet ist. Von Süden erscheint das alles aber sehr unspektakulär, immerhin gibt’s einen schönen Ausblick hinüber zum Feuereck.

Blick vom Bergelskopf über das weiterhin wolkenverhangene Voralpenland
Blick vom Bergelskopf über das weiterhin wolkenverhangene Voralpenland

Feuereck

So schnell ich den Bergelskopf erklommen habe, so schnell geht’s auch wieder zurück in den Sattel. Am Rande der Almfläche steige ich somit nur wenige Minuten später weglos gegen das Feuereck an. Den durchaus beeindruckenden Abstürze auf meiner linken Seite muss ich dabei nicht zunahe kommen, so dass der Genuss nicht auf der Strecke bleibt. Etwas unklar bleibt allerdings, welchen Ort der Name Feuereck genau bezeichnet: eine kleine Senke trennt zwei dafür in Frage kommende Kuppen. Mir gefällt die erste allerdings besser und mache hier auch eine kleine Pause.

Idylle am Feuereck
Idylle am Feuereck

Rabenkopf

Jenseits des Feuerecks erreiche wieder einen kleinen Steig. Der ist zwar nicht markiert und erst recht nicht beschildert, dennoch mehr als gut auszumachen. Ziemlich gerade und schnörkellos gelange ich so rasch nach Osten, auf den Rabenkopf zu. Mit nur leichten Steigungen gelange ich an den Fuß des felsigen Gipfelaufbaus meines letzten Gipfelziels. Ein Pärchen hat es sich selbstverständlich genau auf dem Weg gemütlich gemacht und möchte auch keinen Platz machen. Aber alles kein Problem, denn ich kraxel einfach zwei Meter weiter die Felsen hinauf. Das macht natürlich auch gleich noch mehr Spaß! Kurze Zeit später genieße ich meine Brotzeit und die mir schon seit Jahren wohlbekannte Aussicht vom Rabenkopf. Seit meinem letzten Besuch vor 1,5 Jahren, damals kam ich vom Hirschhörnlkopf herüber, hat sich natürlich auch nicht viel verändert.

Die Benediktenwand wendet dem Rabenkopf ihre sanfte Seite zu
Die Benediktenwand wendet dem Rabenkopf ihre sanfte Seite zu

Rekordverdächtiger Abstieg

Ein Blick auf die Uhr verrät: entweder bleibe ich hier noch 30 bis 45 Minuten am Gipfel sitzen – oder ich steige in höchstens 2 Stunden die 10 Kilometer nach Kochel ab. Ich entscheide mich für den Sprint und packe zusammen. Zügig gehe ich ich den wohlvertrauten Steig zur Staffelalm hinab, in deren Almgebäude in jedem Jahr am Tag des offenen Denkmals Fresken von Franz Marc zu bewundern sind. Reichlich spontan entscheide ich mich nun nicht für den üblichen Weg hinunter zur Kochler Alm, sondern wähle den alten, fast vergessenen Verbindungssteig hinüber zur Oberen Kochler Alm. Eine gute Gelegenheit, diesen Steig heute ebenfalls zu erkunden! Zu Beginn ist dieser stellenweise etwas holprig, aber letztlich bleibt er gut begehbar.

Eine letzte Neuentdeckung an diesem schönen Novembertag
Eine letzte Neuentdeckung an diesem schönen Novembertag

An der Oberen Kochler Alm schaue ich noch einmal zum Feuereck hinauf und erreiche bekanntes Gelände. Am Bergelskopf vorbei und um die Kaltwasserwand herum beginne ich endgültig den Abstieg nach Kochel. Dabei freue ich mich über jeden einzelnen Sonnenstrahl – denn auf der Nordflanke der Sonnenspitze erwartet mich erneut die tiefhängende Wolkendecke, die sich den ganzen Tag über dem Voralpenland nicht aufgelöst hat.

Ein letzter Blick zur Kaltwasserwand
Ein letzter Blick zur Kaltwasserwand

Fazit

Besonders hoch hinaus bin ich an diesem Tag nicht gekommen. Dennoch war’s ein so grandios wie einsamer Bergtag mit zahlreichen neuen Eindrücken und Gipfeln oberhalb von Kochel. Jetzt fehlt mir zwischen Jochberg und Benediktenwand nur noch der Besuch der weglosen Glaswand, einem Nachbarn des Rabenkopfs. Mal sehen, wann auch dieser Gipfel es auf meine Gipfelliste schaffen wird …

Tourendatum: 13. November 2022

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