Berg-Ge(he)n

Vorderskopf

Die Soierngruppe schließt visuell an den Vorderskopf direkt an

Der Vorderskopf gehört zu den vielen unbekannten Gipfeln im Vorkarwendel. Und dennoch kennen ihn viele vom Sehen: wie ein Wachtturm steht er eingangs des Rißtals und weist ein beeindruckend weites Gipfelplateau auf. Ein kleiner Steig führt hinauf, der jedoch weder markiert noch beschildert ist. Dementsprechend ruhig geht es auf dem meist einsamen Vorderskopf zu, der aber Dank seines Panoramas unbedingt einen Besuch lohnt!

Erster Bergsteigerbus des Jahres in Richtung Eng

Auf meiner persönlichen Favoritenliste der besten ÖPNV-Angebote von München in Richtung Berge steht der Bergsteigerbus in die Eng unangefochten auf dem ersten Platz. Es gibt entlang der Route zahlreiche Gipfelziele und viele schöne Überschreitungsmöglichkeiten. In diesem Jahr nimmt diese Buslinie leider erst am Pfingstwochenende ihren Betrieb auf – aber wenigstens verspricht der erste Betriebstag einigermaßen gutes Wetter. Zumindest bis zum Mittag, denn nachmittags könnten, wie so häufig im Frühsommer, Wärmegewitter aufziehen. Ein früher Start ist also sinnvoll und ich entscheide mich gleich für die allererste Fahrt des Bergsteigerbusses in diesem Jahr.

Der erste Zug des Tages bringt mich pünktlich nach Lenggries, der Bus wartet dort bereits auf Mitreisende. Immerhin 15 Fahrgäste stehen wenige Momente später Schlange an der Einstiegstür, darunter ist auch Autorenprominenz: Gerhild A. und Antje S. sind heute persönlich mit Bahn und Bus in den Münchner Bergen unterwegs. Kein Wunder, haben beide doch ein sehr erfolgreiches Buch mit gleichlautenden Titel herausgegeben. Insgesamt ist der Bus also für diese frühe Uhrzeit sehr gut gefüllt. Das ist wichtig, denn dieses Jahr ist das dritte und vorerst letzte Jahr der deutlichen Angebotserweiterung – und ob es im nächsten Jahr genauso weitergehen wird, dürfte nicht zuletzt vom Fahrgastzuspruch abhängig sein. An mir wird’s jedenfalls nicht scheitern, Ehrensache!

Schlammiger Aufstieg

An der Kaiserhütte verlasse ich den Bus und mache mich auf den mir bekannten Weg zum Vorderskopf: schon vor einigen Jahren war ich im Hochsommer auf seinem Gipfel und habe mir vorgenommen, im Frühsommer wiederzukommen. Vor meinem geistigen Auge blühen bereits zahllose Bergblumen auf, die Sonne scheint bereits realiter und ich freue mich auf den schönen Bergtag. Ich finde den versteckten Einstieg in den Steig ohne Probleme und steige gemächlich bergwärts. Die Gräser sind noch nass und die Spinnweben über dem Steig verraten mir, dass ich heute der erste Besucher bin. Ein Alpensalamander rechnet so früh auch noch nicht mit menschlichen Besuchern, lässt sich aber geduldig fotografieren.

Guten Morgen, Lurchi!
Guten Morgen, Lurchi!

Ich bin auf einige schlammige Passagen im Anstieg zu einem Geländesattel eingestellt, aber bereits einige hundert Höhenmeter vorher wird’s rutschig. Ganz schön nervig, aber wenigstens ist die steile Wiese unterhalb des letzten Geländesattels erfreulich trocken: hier hatte ich mit mehr Problemen gerechnet, auch wenn im oberen Bereich das Wasser fast steht. Danach sind’s nur noch 200 Höhenmeter, aber meine Stimmung ist schlechter geworden: Schleierwolken bereiten sich großflächig aus und ich bange um meine Gipfelfotos. Eher missmutig steige ich über weitere Schlammpassagen an und freue mich, als das Gelände wieder felsiger und trockener wird. Passenderweise ziehen die Schleierwolken auch schon wieder ab und bei bestem Wetter erreiche ich das Gipfelplateau. Passt!

Das Gipfelkreuz reicht höchstens bis zu den Knien
Das Gipfelkreuz reicht höchstens bis zu den Knien

Keine Blümchen am Vorderskopf

Nach der ordentlichen Brotzeit bleibt mir gar nicht mehr so viel Zeit für ein paar Fotos. Schließlich möchte ich wegen der Gewittergefahr einen frühen Bus zurück nehmen. Fotomotive gibt’s eigentlich genug – aber von der erhofften Blumenpracht ist nichts zu sehen. Lediglich der Gemeine Hornklee ist gut vertreten, ansonsten sind Blühpflanzen aber sehr selten. Ich rätsele ein wenig herum, finde aber keine schlüssige Erklärung: die Sonne erreicht das Gipfelplateau den ganzen Tag, genug Regen sollte hier auch fallen und Verbuschungen sind nur an den Rändern vorhanden. Liegt es möglicherweise am Gestein? Vielleicht gibt’s es unter den Lesern fachkundige Biologen? Ich freue mich jedenfalls über jegliche Hinweise zu diesem botanischen Rätsel!

Gras und Aussicht. Keine Blümchen, keine Schmetterlinge.
Gras und Aussicht. Keine Blümchen, keine Schmetterlinge.

Die Flora spielt nicht mit, aber das Panorama ist natürlich auch fotogen. Ringsum stehen so viele Gipfel, die ich in den letzten Jahren besucht habe, so dass ich aus dem Fotografieren und der Freude über bereits absolvierte schöne Touren kaum heraus komme: Hirschhörnlkopf, Schafreiter, Grasbergkamm, Steinfalk, Rappenklammspitze, Östliche Karwendelspitze, Torkopf, Soiernspitze … Es gibt so viel zu sehen!

Kleine und große Steine
Kleine und große Steine

Anstrengender Abstieg

Matschige Steige im Aufstieg sind nervig, aber nicht schlimm: durch die langsame Belastung ist die Ausrutschgefahr eher gering. Im Abstieg sind die Sache dann schon ganz anders aus! Ich mühe mich manchmal Schritt für Schritt hinab und komme kaum in meinen sonst so sicheren Tritt. Zum Ausgleich nehme ich mir an der schon erwähnten Wiese Zeit, um einen Schmetterling von Blüte zu Blüte zu verfolgen. Hier, nicht einmal 300 Höhenmeter unterhalb des Gipfels wachsen mehr als genug Blümchen!

Geht also doch!
Geht also doch!

Je tiefer ich komme, desto besser wird wieder der Steig. Ich bin dennoch froh, dem feuchten Wald schließlich zu entkommen. Auf dem Fahrweg zurück zur Kaiserhütte wird es sogar richtig heiß, die Sonne steht jetzt ziemlich genau über dem Rißtal. Eine Einkehr in der Hütte lohnt allerdings nicht mehr, nach zehn Minuten Wartezeit kommt auch schon der Bus zurück nach Lenggries. Als einziger Fahrgast darf ich mir sogar aussuchen, wo am Bahnhof der Bus halten soll, um meinen Umstiegsweg zu minimieren. Was für ein Service!

Reinspringen oder nicht reinspringen?
Reinspringen oder nicht reinspringen?

Fazit

Klug ist jeder. Der eine vorher, der andere nachher: An diesem Tourentag sind die nachmittäglichen Gewitterschauer ausgeblieben. Vielleicht hätte ich somit auch eine längere Tour machen können. Aber vielleicht war’s so auch genau richtig: die 1.000 Höhenmeter waren eine gute Trainingstour und das schöne Gipfelpanorama des Vorderskopfs ist immer einen Besuch wert. Auch ohne Blumenwiese!

Tourendatum: 4. Juni 2022

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