Das ganze Mangfallgebirge ist von mir bestiegen worden. Das ganze Mangfallgebirge? Nein, natürlich nicht. Ein paar kleinere oder abgelegene Gipfel habe ich noch nicht besucht. Und dann wären da noch die Ruchenköpfe. Eine abweisende Wand, ein Gipfel nur für Kletterer!? Viele Jahre bin ich um die Ruchenköpfe, immerhin zu den höchsten Erhebungen im Mangfallgebirge gehörend, herum gegangen und habe mich immer wieder geärgert, dass ich als Fußgänger dort nicht hinauf gelangen werde. Erst eine Recherche zeigte ganz neue Möglichkeiten auf: die Schnittlauchrinne wird sonst gerne als Abstieg nach der Kletterei genutzt. Und wo man runtergehen kann, geht’s auch rauf, oder?
Inhalt
Kleine Abwechslung auf dem langweiligen Zustieg
Im Vorjahr habe ich schon einmal mit einem Besuch der Ruchenköpfe geliebäugelt. Es blieb dann doch bei der Besteigung der Auerspitze: die verbleibenden Höhenmeter wollte ich mir an dem Tag nicht mehr antun. Heute gibt es somit den zweiten Versuch an den Ruchenköpfen, die dieses Mal das einzige Gipfelziel des Tages sind. Ich wähle den langen, langen Anstieg aus dem Leitzachtal – wie so häufig besteige ich also morgens den Zug in Richtung Oberland. Das 9 €-Ticket ist noch ganz frisch eingeführt, ich genieße die Fahrt in vollen Zügen. Der eine oder andere zusätzliche Anfänger ist unterwegs und unterhält die erfahrenen BOB-Fahrer: das Flügelkonzept und die Anzeigen mit den Fahrtzielen stellt auch mehr als 20 Jahren nach seiner Einführung Fahrgäste vor teilweise erstaunliche Probleme.
Ruhiger wird es erst nach dem Aussteigen in Geitau. Zwar machen sich ganze Gruppen auf den langen Weg durch den Ort, aber ich ziehe bald davon. Für den langen und wenig unterhaltsamen Aufstieg auf der Forststraße in Richtung Soinsee habe ich mir eine zumindest kleine Abwechslung herausgesucht: auf dem mittleren Abschnitt existiert noch der alte Zustieg zur Untersteilenalm. Ich finde ihn auf Anhieb und freue mich über den guten Zustand. Erst an den Almflächen wird’s etwas holpriger, aber hier erreiche ich sowieso wieder den steilen Fahrweg.
Immer mehr Wolken ziehen auf
War bei meinem Start noch bestes Wetter, so hat sich während der dicht bewaldeten Passage etwas verändert: Zahlreiche Wolken sind aufgezogen. Das ist einerseits für den Aufstieg über die sehr steilen Rampen zwar praktisch, andererseits wäre ich bei Sonnenschein gleich viel besser gestimmt. Ich warte für ein Foto an der Untersteilenalm zwar noch einmal auf Sonne, dann geht’s aber weiter. Ich habe ja schließlich noch einen Gipfel zu erreichen.
Auch am Soinsee will die Sonne nicht so recht rauskommen. Das erhoffte Morgenstimmungsbild mit den Ruchenköpfen direkt über dem See ist zwar möglich, habe ich mir aber anders vorgestellt. Nach einer kurzen Verpflegungspause gibt’s dann natürlich auch keinen Grund mehr, nicht direkt weiterzugehen. Der Hang hinauf zur im Besitz eines kleinen Vereins (Ruchenköpfler) befindlichen Ruchenkopfhütte ist sowieso eine meist matschige Angelegenheit, heute allerdings ganz besonders. Meine Stimmung sinkt weiter, aber mit jedem Meter komme ich ja auch schon dem Einstieg zum Gipfelanstieg näher.
Kein Schnittlauch in der Schnittlauchrinne
Sobald ich den matschigen Steig in Richtung Kümpflscharte verlassen kann, geht’s auch gleich spürbar aufwärts: einerseits natürlich Dank des nun steileren Geländes, andererseits verbessert sich meine Stimmung deutlich. Das liegt einerseits an dem einen oder anderen Sonnenstrahl, andererseits ist der lange Zustieg nun erledigt – die eigentliche Tour geht jetzt los!
Gleich hinter der Bergwachthütte bildet sich der Steig wieder gut aus und problemlos steige ich der Schnittlauchrinne entgegen. Woher sie ihren Namen erhalten hat, wird mir auch in der Folge verborgen bleiben. Schnittlauch entdecke ich jedenfalls keinen. Viel Zeit zum Schauen bleibt andererseits auch nicht, denn das Gelände ist steil und immer wieder rutschig. Die steinigen Passagen sind mit den schlammigen Schuhen auch nicht ganz so prickelnd, aber wenigstens gibt es keine ausgesetzten Abschnitte.
Im oberen Teil darf ich auch zwei, drei Mal die Hände an die Felsen bringen, die Schwierigkeiten bleiben aber mehr als überschaubar. Letztlich bin ich angenehm überrascht, wie einfach ich den schmalen Gipfelgrat erreiche. Zwar geht’s nun links und rechts ordentlich runter, die letzten Meter sind dann aber auch kein größeres Problem mehr. Geschafft!
Gedanklich habe ich mich im Vorfeld auf kein allzu ruhiges Gipfelerlebnis eingestellt. Die zahlreichen Kletterrouten locken sonst ja die eine oder andere Münchner Seilschaft an. Anstatt der erwarteten Kletterkommandos höre ich heute: nichts. Erstaunlich, inmitten der überlaufenen Münchner Hausberge. Sicherlich wird es heute wie immer sein: auf den benachbarten Gipfel Auerspitz und Miesing ist einiges los, die Rotwand wird aber sicherlich völlig überrannt werden. Was für ein Glück, dass ich die Natur in aller Ruhe genießen darf.
Ereignisarmer Abstieg von den Ruchenköpfen
Nach der einsamsten Gipfelpause, die man sich an einem Sommerwochenende in den Münchner Hausbergen vorstellen kann, mache ich mich an den Abstieg. Die Schnittlauchrinne ist schnell passiert, immerhin kommt mir nun ein Bergwachtler mit schnellen Schritt vorbei. Seine Kollegen bereiten zweihundert Höhenmeter weiter unten gerade die Diensthütte vor und stellen schon mal die Bänke in die Sonne. Hoffentlich bleibt es ein ruhiger Tag ohne Einsatz!
Kaum bin ich wieder auf den normalen Steigen und Wegen angekommen, zieht’s auch schon wieder zu. Dennoch schweifen meine Blicke etwas herum – und mir fällt auf, dass es da ja noch den dicht bewaldeten Höhenrücken vom Schellenberg zur Gamswand gibt. Da muss ich mal recherchieren, ob es da einen Steig gibt und sich ein Besuch lohnt? Mit ganz neuen Plänen im Kopf bin ich schnell wieder im Tal. Am Segelflugplatz habe ich ein wenig Glück und kann nach einigen Jahren mal wieder einen Windenstart beobachten. Immer ein faszinierendes Erlebnis, auch wenn es für mich tendenziell nichts wäre.
Fazit
Auch wenn das Wetter die meiste Zeit nicht so ganz gut war wie erhofft, war’s doch eine klasse Tour auf die Ruchenköpfe! Nach so vielen Jahren kann ich diesen markanten Berg endlich von meiner Liste streichen. Sicherlich wird es aber nicht bei einem Besuch bleiben: mir hat die Bergeinsamkeit sehr gut gefallen. Ruchenköpfe, ich komme wieder!
Tourendatum: 11. Juni 2022
4 Kommentare