Die höchsten Gipfel der Fanesgruppe erheben sich direkt über dem Gadertal: Zehner, Heiligkreuzkofel, Lavarela und Conturinesspitze. Schon bei der Urlaubsplanung ist mir klar: auf mindestens einen dieser Gipfel werde ich steigen. Vor Ort fällt meine Wahl dann auf die Lavarela. Dieser Dreitausender ist zwar recht einfach zu erreichen, erfordert aber einen langen Anmarsch.
Inhalt
Früher Start
Es ist noch sehr frisch, als ich mich am frühen Morgen auf den Weg zur Lavarela mache. Der an der Bushaltestelle gelegene Parkplatz ist noch (fast) ganz leer, am Campingplatz rührt sich auch nichts. Erst an der Capanna Alpina stehen schon einige Autos am Parkplatz und die erste größere Gruppe macht sich gerade auf den Weg. Die meist schon etwas älteren Damen und Herren legen ein erstaunliches Tempo vor. Einige haben ihre Kletterhelme dabei, vermutlich werden sie die Conturinesspitze ansteuern. Ich lasse sie davonziehen, aber bei der ersten nennenswerten Steigung verringert sich der Abstand erstmals wieder. Bald holt der Steig weit nach rechts aus und leitet dann über einen treppenartigen, unregelmäßigen Weg zum Col de Locia hinauf. Dieser Geländeabsatz ist liegt bereits in der Sonne und gibt einen aussichtsreichen ersten Pausenplatz ab.
Ein faszinierendes Hochtal und viele Geländestufen
Jenseits des Col de Locia erreiche ich ein wunderschönes Hochtal. Mit nur geringen Steigungen gehe ich in die Fanesgruppe hinein, dabei kommen mir alsbald zahlreiche Wanderer entgegen, die schwer bepackt offenbar auf dem Dolomiten-Höhenweg Nr. 1 unterwegs sind. Ich bin besonders von den Gipfeln auf der rechten Seite des Hochtals beeindruckt, die eine meist abweisende Mauer bilden. Im unscheinbaren Tadegajoch angekommen verlasse ich das mittlerweile breite Tal und folge einem Steig in ein kleines Seitental nach Westen.
Links und rechts erheben sich steile Felswände und angesichts der steilen Geländestufe direkt voraus bin ich gespannt, wie der Steig verlaufen wird. Letztlich bleibt alles aber unspektakulär, geschickt führt mich der Steig durch die steile Latschenzone. Sobald diese zurückbleibt wird das Gelände wieder deutlich einfacher. Die folgende Geländestufe fällt übersichtlich aus und erinnert an einen natürlichen Staudamm. Und tatsächlich liegt hinter diesem Damm der Conturinessee, der im Sommer aber regelmäßig mehr oder weniger trocken fällt. Ich folge weiter dem gut gangbaren Steig, der sich zur rechten Bergflanke hin orientiert und rasch hinauf zum nächsten Absatz führt. Dort finden sich nun nur mehr Felsen und Steine, jegliches Grün scheint verschwunden zu sein. Durch diese Mondlandschaft steige ich weiter auf und passiere einige abwechslungsreiche Passagen über griffige Felsplatten. Ich spüre mittlerweile den langen Anstieg und freue mich sehr, endlich die Lavarelascharte zu erreichen. Trotz des starken Winds, der durch die Scharte aus dem Tal hinaufweht, mache ich hier noch einmal eine kurze Pause. Passenderweise kommt auch die Sonne raus, die in der letzten Stunde die Schleierwolken verdrängt hat – im Windschatten ist es sogar ganz angenehm!
Spannender Gipfelaufschwung
Von der Lavarelascharte beobachte eine kleine Gruppe, die sich gerade an den weiteren Aufstieg macht: am oberen Ende eines steilen Schuttfelds halten sie sich links, kehren aber nach wenigen Metern um und folgen stattdessen offenbar einem Felsband. Ich merke mir die Stelle und entdecke wenig später eine unscheinbare Markierung, die auf das nicht sonderlich breite Felsband weist. So ganz recht ist mir diese Wegführung nicht, denn auf der rechten Seite gähnt der Abgrund. Glücklicherweise ist das Band zunächst gut gangbar, wird aber zunehmend schmaler und ist zuletzt tatsächlich unangenehm ausgesetzt. Ich bin froh, als ich die Stelle hinter mir lasse und die Markierungen wieder in einfacheres Gelände leiten. Nach einer weiteren flachen Passage in einfachem Gelände stehe ich am Fuß des Gipfelgrats, den ich ich leichter Kraxelei kurz darauf erreiche.
Ich ignoriere den Vorgipfel auf der linken Seite und wende mich direkt nach rechts: die Markierungen leiten mich direkt über den Kammverlauf bis zum Gipfel. Lediglich an einer etwas ausgesetzten, zu erkletternden Felsstufe weiche ich einige Meter nach links zu einer deutlich leichteren Variante aus. Kurz darauf stehe ich auf dem zweithöchsten Gipfel der Fanesgruppe und bin vom Panorama restlos begeistert. Nur im Südosten sind noch Schleierwolken zu sehen, ansonsten dominiert blauer Himmel. Von der Ortlergruppe über die Ötztaler bis zu den Zillertaler Alpen glitzern die Gletscher in der Sonne. Noch besser gefällt mir aber der Tiefblick nach Klein Fanes und zu den umliegenden Gipfeln der Fanesgruppe.
Beim Fotografieren komme ich mit einer sprachlich sehr formalen Bergsteigergattin aus dem Pustertal ins Gespräch. Während er heute an der Civetta eine Tour mit seinen Gästen unternimmt, ist sie nur bis kurz vor Cortina d’Ampezzo mitgefahren und hat im Morgengrauen ihren sehr langen Anmarschweg quer durch die Fanesgruppe begonnen. Eine überaus respektable Leistung!
Abstecher zur Groß Fanes
Der Abstieg zur Lavarelascharte ist bald erledigt, selbst das unangenehme Felsband kommt mir schon viel einfacher vor. Einzig das Schuttfeld macht wenig Spaß, aber Dank meiner Stöcke komme ich nicht nur rasch, sondern auch wohlbehalten wieder in der Scharte an. Der weitere Weg zum Tadegajoch ist recht kurzweilig, denn in einer Mischung aus Englisch und Italienisch unterhalte ich mich mit Laura, die eigentlich mit einer gruppo informale unterwegs ist. Das zeigt sich offenbar darin, dass die meisten auf eigene Faust unterwegs sind, in fast schon wundersamer Weise treffen zwar nicht alle, aber immerhin die meisten anderen Gruppenmitglieder nahezu zeitgleich am Conturinessee ein.
Als ich das Tadegajoch erreiche, bleibt noch genügend Zeit für einen Abstecher zur Groß Fanes. Ich komme dort zu rechten Zeit an, die letzten Ausflügler packen gerade zusammen. Es wird auf dieser sonst so viel besuchten Hütte nun immer stiller und ich genieße ein kühles Spezi in der warmen Nachmittagssonne. Aber der Rückweg ins Gadertal ist noch weit, ich breche also bald wieder auf.
Auf dem Weg zum Tadegajoch und weiter zum Col de Locia begegne ich niemanden mehr. Die schon auf dem Hinweg so faszinierendem, nun menschenleer Landschaft wirkt auf mich jetzt noch eindrucksvoller. Bald werden die Schatten des Piz Tabuin länger, aber der Col de Locia liegt noch in der Sonne. Ich nutze die Gelegenheit für eine letzte Pause vor der letzten, weitgehend schattigen Etappe zurück zur Ferienwohnung.
Fazit
Bei der Tour auf die Lavarela hat alles gepasst: Landschaft und Gipfelpanorama sind grandios, die vielen Höhenmeter verteilen sich sehr angenehm auf die Wegstrecke und der unmittelbare Gipfelanstieg bietet genau das richtige Maß an Herausforderung. Die Besteigung der Lavarela ist somit eine klare Empfehlung!
Tourendatum: 26. August 2020
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