Berg-Ge(he)n

Col di Lana

Der dritte Urlaubstag im Gadertal bringt endlich richtig schönes Wetter mit. Dieses Mal mit dem Bus fahre ich erneut zum Valparolapass und freue mich auf eine recht gemütliche Wanderung über viele Wiesen zum Col di Lana. Dieser südlichste Gipfel der Fanesgruppe ist trotz seiner geringen Höhe ein vorzüglicher Aussichtspunkt. Im Gebirgskrieg in den Dolomiten wurde deshalb der Gipfel auch auf’s Heftigste umkämpft und mehrfach gesprengt – nicht zu unrecht trägt der Col di Lana im Italienischen auch den Beinamen „Col di Sangue“.

Abwechslungsreiche Wege führen zum Siefsattel

Vom Valparolapass folge ich einem matschigen Steig nach Süden, der glücklicherweise bald felsiges Gelände erreicht. Über eine gut versicherte Steilkante hinab erreiche ich den Fuß der langen, im Setsas gipfelnden Felswand. In leichtem Auf und Ab führt der Steig an dieser entlang und ich überhole an einer ca. 0,5 Meter hohen Geländestufe eine Holländerin, die – Klischees wollen erfüllt werden! – hier mit ernsthafter Höhenangst zu kämpfen hat. Keine Probleme damit haben zwei Südtiroler die wenige Meter weiter in den steilen Wänden zu einer ernsthaften Kletterpartie einsteigen.

Der Steig führt am Fuß dieser gewaltigen Felswand entlang in Richtung Siefsattel

Seit der Steilkante zeigt sich schon immer wieder die Marmolata am Horizont. Sobald der Steig am Kleinen Setsas um ein unauffälliges Eck biegt und nun direkt auf den Siefsattel zuhält, scheint sie ganz nah zu sein. Was für ein majestätischer Anblick!

Der Steig scheint direkt auf die Marmolata zuzuführen

Kriegsspuren am Monte Sief und dem Col di Lana

Während des Aufstiegs zum Monte Sief entdecke ich erste Schützengräben, die im felsigen Gelände rekonstruiert worden sind. Am Gipfel selbst bin ich dann endgültig in einer Art Freiluftmuseum angekommen. Ein Stollen zu den Kampfständen beginnt gleich unter dem Gipfel, ein Teil des Verbindungskamm zum Col di Lana fehlt nahe des Gipfels: mit einer letzten, gewaltigen Sprengung vereitelten die österreichischen Verteidiger des Monte Siefs im Oktober 1917 endgültig die italienischen Durchbruchsversuche.

Blick über den gewaltigen Minenkrater zum Monte Sief

Nach dem Abstieg in den Sprengtrichter und dem folgenden Wiederaufstieg folge ich dem Kammverlauf zum Col di Lana. Hier sind weniger Stellungsreste zu entdecken, aber mehrere flache Stellen im Hang zeugen von den im April 1916 gesprengten österreichischen Stellungen. Im nördlichen Teil des Gipfels ist ein Sprengtrichter auszumachen, der eine bereits vorhandene Rinne drastisch vergrößert hat.

Rückblick über den Kamm zum Monte Sief

Bei der Kapelle finde ich einen schönen Pausenplatz, der eine wunderbare Aussicht zur Civetta bietet. Trotz der guten Bedingungen bleibt es den ganzen Mittag über am Gipfel sehr ruhig: offenbar ist der grasige Berg inmitten der felsigen, berühmten Dolomitengipfeln zu unscheinbar und somit ein ungeahnter Geheimtipp!

Auf den früheren österreichischen Stellungen wurde eine Kapelle erbaut

Überraschend herausfordernder Abstieg zum Schloss Buchenstein

Bei der Vorbereitung der Tour habe ich auf den Karten Steige entdeckt, die nach Schloss Buchenstein führen. Vom Gipfel aus sind diese auch im ersten Abschnitt gut zu erkennen, sogar ein altes Schild weist auf den Steig hin. Ich folge diesem hinüber zur Ostflanke des Col di Lana. Ich quere eine erste, unangenehm breite Schuttrinne und erhalte einen Vorgeschmack auf den unerwartet steilen Abstieg. Dieser entpuppt sich als eine mittlere Rutschpartie über vom Regen der Vortage schmierig glatte, erdige Passagen. Im Sattel zwischen Col di Lana und Cenglèi bessert sich das Gelände endlich, allerdings ist der Steig durch die Südflanke des Cenglèis kaum auszumachen: ein kleines Schild weist in die Wiese, immerhin kann ich unterhalb einer Felswand eindeutige Steigspuren ausmachen. Der erforderliche Zweckoptimismus bewährt sich: problemlos erreiche ich den bald wieder gut zu gehenden Steig.

Aus der Flanke des Cenglèi zeigt sich noch einmal der Col di Lana

Am Waldrand kommt ein breiter Steig von rechts hinzu – ich vermisse aber den eingeplanten Steig, der hier nach links direkt zum Schloss Buchenstein führen sollte. Ich steige zwar mit GPS-Unterstützung entlang des fiktiven Steigs auf, kann aber auch weiterhin keine nennenswerten Spuren entdecken. Ein Blick auf die Karte hilft bei der Suche nach einer Alternative – und die ist schnell gefunden: ich folge also dem guten Steig abwärts und warte auf den Abzweig des Fahrwegs, der zum Schloss Buchenstein führen wird. Dabei gelange ich immer tiefer in ein wüstes Windwurfgebiet – und mache mir zunehmend Sorgen, ob der weitere Weg begehbar sein wird. Aber ich habe Glück: zur rechten Zeit ist eine Gasse freigeschnitten und gibt den Weg zum Schloss Buchenstein frei.

An der Ruine von Schloss Buchenstein

Matschige Rückkehr zum Valparolapass

Von der Burgruine leiten mich zunächst gute Fahrwege in den Wald hinauf, der sich zum Valparolapass hin ausbreitet. In einer an und für sich schönen Lichtung wird das Gelände allerdings langsam feuchter. Ich durchquere verschiedene Seenlandschaften und dazwischen fast nur noch schlammige Passagen. Ich bin sehr erleichtert, als der schmale Steig nach rechts dreht und in felsigem Gelände endlich wieder trocken nach oben leitet. Dabei wird das in den letzten Minuten aufgekommene, monotone Rauschen immer stärker und ich erreiche einen schönen Wasserfall direkt neben dem Steig. Ein gelungener Ausgleich für den matschigen Weg zuvor, so lege ich dann auch die letzten Meter zum Valporalapass gut gelaunt zurück.

Der Wasserfall hebt die Stimmung deutlich

Fazit

Die aussichtsreiche Tour zum Col di Lana hat einige Überraschungen mit sich gebracht: der geplante Rückweg war weit weniger schön als beim vorbereitenden heimischem Kartenstudiums erhofft. Dennoch hat mir die Tour gefallen, denn es war trotz Hochsaison angenehm wenig los und das Panorama von Monte Sief und Col di Lana großartig.

Tourendatum: 25. August 2020

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert