Schon vor fünf Jahren habe ich meine Gipfelsammlung im Zahmen Kaiser deutlich erweitert. Nach Naunspitze, Petersköpfl sowie Einser- und Zwölferkofel war meine Kraft an jenem Tag allerdings aufgebraucht: die bereits in Sichtweite befindliche Pyramidenspitze musste ich schweren Herzens auslassen. Aber aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben – heute folgt Versuch zwei der Überschreitung des westlichen Teils des Zahmen Kaisers!
Inhalt
Dichter Nebel über dem Inntal
Der morgendliche Zug nach Kufstein beginnt so früh am Morgen erst am Ostbahnhof. Da fällt die morgendliche Routine der Abwechslung halber anders aus. Es fühlt sich fast wie ein Arbeitstag an, allerdings wäre ich dann wohl kaum so früh aufgestanden – geschweige denn bereits um halb sieben morgens am Bahnsteig. Bei dem guten Wetter macht das aber nichts – bis der Zug zwischen Grafing und Ostermünchen immer tiefer in den morgendlichen Nebel eintaucht. Die Sonne setzt sich immer seltener durch, in Kufstein ist die Bewölkung dann vollkommen geschlossen. Bis zum Einstieg über die Sparchenstiege dauert es noch eine Busfahrt – der Nebel allerdings bleibt. Das hilft einerseits beim knackigen Anstieg, trübt andererseits aber auch die sowieso schon seltenen Aussichtspunkte im meist dichten Wald.
Die steile Rampe zur Ritzaualm ist nach dem heftigen Gewittern der Vortage etwas in Mitleidenschaft gezogen worden und stellenweise ausgewaschen: mit Spitzhacke und Schaufel ist ein älterer Herr so früh am Morgen bereits im Arbeitseinsatz. Wenig später erreiche ich dann auch schon die Ritzaualm, an der – immerhin 700 Höhenmeter über dem Inntal! – sich endlich wieder ein erstes Fitzelchen blauer Himmel zeigt.
In der Sonne zur Naunspitze
Wie erhofft steige ich wenig später durch die letzten Wolkenfetzen – und schlagartig wird’s wärmer. Die Sonne tut gut, die Fotos werden natürlich auch gleich viel besser. Nun bestens gelaunt steige ich weiter hinauf zur Vorderkaiserfeldenhütte.
Ohne Pause gehe ich an der Hütte vorbei und freue mich auf den Steig zur Naunspitze. Bisher bin ich nur auf Fahrwegen unterwegs gewesen, da kommt die Abwechslung ganz recht. Seitdem ich vor 11 Jahren das erste Mal hier gewesen bin, hat sich kaum etwas verändert: der Steig führt durch unterschiedliche Vegetationszonen und nähert sich langsam dem Latschengürtel, der den gesamten oberen Bereich des Zahmen Kaisers einnimmt. Vom Sattel zwischen Naunspitze und Petersköpfl sind es dann auch nur noch wenige Minuten bis zur Naunspitze – Zeit für die erste Pause!
Petersköpfl bis Einserkogel
Der Gipfelaufbau der Naunspitze ist – ganz im Gegensatz zum Rest des Anstiegs – zumindest nicht ganz einfach zu begehen. Das Gelände ist steil, aber nur wenig ausgesetzt, der immer wieder schuttreiche Untergrund fordert Trittsicherheit ein. Dementsprechend abwechslungsreich fällt die Brotzeitunterhaltung aus, bei der ich zahlreiche Gipfelaspiranten beobachten darf: von der Könnerin bis zum Anfänger am Berg ist heute wieder alles geboten! Noch ein paar Fotos, dann mache ich mich wieder auf den Weg. Mein nächstes Teilziel ist das Petersköpfl, das in Form einer steilen Felswand direkt über der Naunspitze thront.
Der Steig sucht sich aber geschickt seinen Weg durch die Schwachstellen der Wand: erst rechts, dann links – und schon bin ich oben auf dem weitläufigen Plateau des Zahmen Kaisers. Der kurze Abstecher zum Petersköpfl lohnt vor allem für ein Foto hinunter zur Naunspitze, bietet aber auch einen gewissen Überblick über den weiteren Wegverlauf zum Einser- und Zwölferkogel. Beide scheinen schon in Reichweite zu sein, aber von meiner letzten Begehung weiß ich nur zu gut, wie viele Kurven und kleine Zwischenabstiege den Weg durch die oft viel zu heißen Latschen verlängern.
Auch heute zieht sich der Steig wie Gummi. Meistens sieht man nicht viel – und so dauert’s gleich noch etwas länger. Unzweifelhaft ist aber auch heute: wenn das Gelände ruppiger wird, kommt der Einserkogel näher. Der Steig führt zwar nicht direkt über den höchsten Punkt, ein kurzer Abstecher für die letzten Meter lohnt sich aber: der Tiefblick hinunter zum Walchsee bietet einen schönen optischen Ausgleich zu den eintönigen Latschen der letzten Stunde.
Pyramidenspitze und Vordere Kesselschneid
Einser- und Zwölferkogel sind durch einen überraschend tiefen Einschnitt getrennt. Der erneute Wiederaufstieg zum Zwölfer fällt mir nun erstmals schwer, die bisherigen Anstiege fordern langsam ihren Tribut. Vor fünf Jahren habe ich hier dann etwas entnervt und ziemlich geschafft meine Runde über den Zahmen Kaiser beendet. Heute fühle ich mich zwar nicht mehr ganz frisch, aber doch stark genug für den weiteren Weg zur Pyramidenspitze.
Dieser beginnt gleich mit einer Überraschung: der Abstieg von der Zwölferspitze erfolgt über eine schon fast kaminartige Rinne. Es gibt aber mehr als genug Griffe, die Seilversicherung erscheint jedoch etwas zu hoch angebracht zu sein. Oder vielleicht muss ich noch etwas wachsen? Egal, denn ich stehe jedenfalls schnell am Fuß der Rinne: und schon weiter geht’s in Richtung Pyramidenspitze. Langsam, aber beharrlich steige ich den nun wieder einfachen Steig zum Gipfel hinauf. Bevor ich aber am Gipfelkreuz anschlage, gönne ich mir noch den Abstecher zur Vorderen Kesselschneid. Das sind zwar noch zweimal 60 zusätzliche Höhenmeter, aber so erreiche ich bei der Gelegenheit gleich noch den einzigen Zweitausender des Zahmen Kaisers.
Wie so häufig, entdecke ich am einen Gipfel gleich ein weiteres lohnendes Gipfelziel. Das ist natürlich kaum eine Überraschung, denn wo es eine Vordere Kesselschneid gibt, ist die Hintere Kesselschneid offenbar auch nicht weit. Aber sie sieht schwierig aus – und heute wird das sowieso nichts mehr.
Ziemlich geschafft kehre ich zur Pyramidenspitze zurück und lege noch einmal eine längere Pause am Rande eines steil abfallenden Abgrunds ein. Der Weg aus dem Winkelkar, der sich vom Walchsee zur Pyramidenspitze hinaufzieht, ist vermutlich auch nicht so ganz ohne. Sicherlich ist dafür aber eine Anreise mit dem Auto deutlich geschickter, um überhaupt früh starten zu können.
Langer Abstieg zurück nach Kufstein
So schön es am Gipfel auch ist, der Rückweg nach Kufstein ist noch weit. Ein guter Grund also, die Pause auf der Pyramidenspitze nicht übermäßig in die Länge zu ziehen. Der Abstieg in Richtung Zwölferkogel läuft zu Beginn noch richtig gut. Das Gefälle ist moderat, das Panorama lässig.
Der Gegenanstieg über die steile Rinne zum Zwölferkogel fällt dann allerdings bereits in die Kategorie lästig. Puuh.
Immerhin steige ich in der Folge auf bekannten Wegen in Richtung Hinterkaiserfeldenalm ab. Dort findet sich zwar auch die eine oder andere schuttreiche Passage, aber die Landschaft ist trotz gleißender Sonne schlicht großartig. Abschnittsweise führt der Steig direkt unter senkrechten Wänden entlang, die Aussicht zum Wilden Kaiser ist (wie schon die ganzen letzten Stunden) großartig. Einsamkeit wird hier auch groß geschrieben, es ist so gut wie nichts los. Auch beim zweiten Besuch muss ich sagen: hier ist der Zahme Kaiser für mich am schönsten!
Auf den grünen Almflächen der Hinterkaiserfeldenalm grasen ein paar einsame Kühe. Immerhin lassen sie mich anstandslos passieren – ganz im Gegensatz zu ihren Artgenossen vom Niederleger der Plumsalm im Karwendel! Es gibt somit keine weiteren Verzögerungen auf dem Rückweg zur Vorderkaiserfeldenalm. Das ist auch ganz gut so, denn mittlerweile habe ich mir die Einkehr bei einem kühlen Spezi mehr als redlich verdient!
Der weitere Abstieg ins Inntal geht schneller von statten als gedacht. Trotz eines Fotostopps an der nahen Ritzaualm, die jetzt wunderschön in der Nachmittagssonne liegt, erreiche ich in einer Taktlücke der sonst so regelmäßigen verkehrenden Kufsteiner Stadtbusse das Ende der steilen Sparchenstiege. Ich entscheide mich kurzentschlossen, zu Fuß zum Kufsteiner Bahnhof zu gehen. Das ist zwar nicht überall besonders schön, aber das gemütliche Auslaufen dürfte für meine Muskulatur ein guter Ausklang des sehr anstrengenden Tags im Zahmen Kaiser werden.
Fazit
Trotz der morgendlichen, dicken Nebeldecke war die Überschreitung des westlichen Teils des Zahmen Kaisers eine grandiose Tour mit mehr als 1.800 Höhenmetern. Wenn Du wissen möchtest, wo Du konditionell stehst, dann solltest Du einen Besuch der Pyramidenspitze auch mal ausprobieren! Und Dir für den nächsten Tag ein gemütliches Plätzchen an einem Badesee suchen …
Tourendatum: 2. Juli 2022
Schöne Tour – und Glückwunsch zur respektablen Höhenmeter-Leistung! 🙂 Übrigens ist es durchaus möglich, den Aufstieg über das Winkelkar mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu unternehmen: Von Kufstein gibt es einen Bus nach Walchsee, Durchholzen (bahn.de scheint ihn allerdings leider nicht zu kennen, da muss man auf vvt.at schauen). Absteigen kann man dann über Egersgrinn (schwierig) oder wie du nach Kufstein: http://rebecca-abenteuerberge.blogspot.com/2014/11/pyramidenspitze-1997m-uber-winkelkar.html
LG Rebecca
eine sehr schöne aber auch extrem lange tour.
Wer es noch eine Stufe wilder möchte macht diese Überschreitung über den Rosskaiser
https://www.via-ferrata.de/touren/gps/zahmer-kaiser-ueberschreitung-winkelkar-umrahmung-pyramidenspitze-rosskaiser
Ja, in der Tat geht’s hinter der Vorderen Kesselschneid wild weiter. Aber nichts für schwache Nerven und nur mit genügend Ressourcen nach dem knackigen Aufstieg sicher zu machen!