Berg-Ge(he)n

Bettlerkarspitze – eine erste Annäherung

Die Bettlerkarspitze besteht aus einem Gipfelpaar

Die letzten richtigen Karwendelgipfel finden sich in der Sonnjochgruppe, die das Karwendel und das nördlich vorgelagerte Vorkarwendel verbindet. Die Bettlerkarspitze gehört dazu und gilt als ernstzunehmender Gipfel. Zwar ist die Schlüsselstelle kurz unterhalb des Gipfels durch ein Fixseil und einen kürzlichen kleinen Bergsturz entschärft, es bleibt aber eine durchaus schwere Tour. Im Vorjahr habe ich noch sehnsuchtsvoll von Kompar und Plumsjoch hinüber zum markanten Felsengipfel geschaut und in den letzten Tagen zahlreiche Tourenbeschreibungen gelesen – und heute ist es dann auch schon soweit. Ich bin gespannt, was mich wirklich erwarten wird!

Schneller Aufstieg zur Plumsjochhütte

Der frühe Bergsteigerbus in die Eng erfordert einen noch früheren Start in München. Oft fahre ich dafür dann mit einer der ersten U-Bahnen des Tages zum Harras und steige dort in den meist leeren Zug nach Lenggries um. Aktuell geht das allerdings nicht, denn Bauarbeiten auf der U-Bahnstrecke erfordern viele Wochen Schienenersatzverkehr. Ich schwinge mich also in aller Frühe auf’s knarzende MVG-Rad und fahre zum Hauptbahnhof. Das dauert zwar etwas länger, sorgt aber auch dafür, dass ich einen ruhigen Platz im Zug finde. Am Harras steigt dann auch meine heutige Begleitung Sina zu und planmäßig fahren wir weiter nach Lenggries. Der zu Beginn der Fahrt noch gut gefüllte Bergsteigerbus leert sich zunehmend, denn wir steigen erst an den Haglhütten aus, eine Station vor der Endhaltestelle. Der neben der Bushaltestelle liegende Parkplatz ist noch recht leer, als wir den Anstieg beginnen: mit vielen Begegnungen rechnen wir in nächster Zeit somit nicht.

Endlich wieder im Karwendel unterwegs!
Endlich wieder im Karwendel unterwegs!

Der erste Teil der Tour ist noch recht gewöhnlich: der gute Steig führt uns ohne größere Schwierigkeiten gemütlich aufwärts. Das kurze Stück auf der Forststraße ist schnell absolviert, schnell können wir wieder auf einen Steig abzweigen. Dieser alte Zustieg in den Plumsjochsattel gefällt mir jedes Mal auf’s Neue sehr gut: die Steigung verteilt sich prima und bald kommt die urige Plumsjochhütte in den Blick. Ganz still liegt sie da, lediglich die fehlende Morgensonne trübt das idyllische Bild. Wir schauen hinüber zur Bettlerkarspitze und entdecken den mutmaßlichen Steigverlauf. Sieht ganz schön anstrengend aus!

Das Wetter war irgendwie besser angekündigt
Das Wetter war irgendwie besser angekündigt

Es wird steil auf dem Weg zur Bettlerkarspitze

Der erste Eindruck aus der Ferne täuscht nicht: der folgende Aufschwung über eine erodierte Wiesenfläche ist steil. Sehr steil. Das eine oder andere meiner Kraftkörner ist schon weg, da trifft es sich gut, dass die Steigung etwas nachlässt. Wie zum Ausgleich ist der folgende Schuttgürtel ganz schön anstrengend: mal feingerieben, mal kleine Splitter, mal in großen Stücken – Felsen und Steine finden sich hier in allen Größen und Formen, mal festgedrückt und stabil, mal lose und rutschig. Es zieht sich jedenfalls, die Bettlerkarspitze will wohl nicht von jedem bestiegen werden.

Die Montscheinspitze setzt sich in Szene
Die Montscheinspitze setzt sich in Szene

Ein kleiner Geländeabsatz ist mir ganz willkommen, hier gibt es sogar noch einmal Gräser. Der weitere Weg zum Vorgipfel führt dann wieder über steiniges Gelände, das erfreulicherweise nun ziemlich stabil daherkommt. Die Farben verschwinden wieder, die Markierungen scheinen die einzigen Farbkleckse weit und breit zu sein. Am Abzweig zum Vorgipfel werden wir von einem mittelalten Mann eingeholt. Auf mich macht er den Eindruck, als ob er eine Begleitung für den eigentlichen Gipfelanstieg suchen würde. Wir haben jedenfalls erst einmal eine Pause auf dem Vorgipfel geplant und steigen zum kleinen Gipfelkreuz des Vorgipfels leicht hinauf. Zeit für eine ordentliche Brotzeit!

Nur noch wenige Minuten in kargem Gelände bis zum Vorgipfel
Nur noch wenige Minuten in kargem Gelände bis zum Vorgipfel

Optische Eindrücke eines Gipfelversuchs

Das Wetter spielt weiterhin nicht so wirklich mit, die Pause am Vorgipfel hätte sonniger ausfallen können. Langweilig ist sie trotzdem nicht, denn ich nutze die Zeit, den weiteren Weg zum Gipfel zu studieren. Und das ist gar nicht so einfach: die Wegspuren auf den Bändern kann ich noch ganz gut erkennen, aber wie geht es dann weiter? Weiter auf dem Band und dann hoch – oder doch andersherum? Vor Ort scheint die Sache auch nicht viel besser auszusehen, denn der vorhin getroffene Mann geht an manchen Passagen auch hin und her. Eine Zeitlang bin ich bereit, viel Geld darauf zu wetten, dass er abbrechen und zurückgehen wird, aber dann scheint er doch die richtige Fortsetzung gefunden zu haben. Besonders zügig steigt er dennoch nicht auf, erst nach einer geschlagenen Stunde hat er die Schlüsselstelle auf dem Weg zum höchsten Punkt der Bettlerkarspitze erreicht.

Zum Hauptgipfel dauert's länger, als man denkt
Zum Hauptgipfel dauert’s länger, als man denkt

So spannend das Zuschauen auch ist – wir entscheiden uns letztlich dafür, den Hauptgipfel nicht anzugehen. Zwar sieht es nicht unmittelbar nach Regen aus, aber die Wolkendecke bleibt meist geschlossen, nasse Stellen sind bei der fehlenden Sonne nicht auszuschließen. Keine optimalen Bedingungen für eine schwere Passage – das muss nicht unbedingt sein. Mit dem Vorgipfel haben wir ja auch schon einiges geleistet und können somit ohne jedes schlechte Gewissen zur Plumsjochhütte absteigen.

Wie in Gruppenbildern: die Kleinen bitte nach vorne!
Wie in Gruppenbildern: die Kleinen bitte nach vorne!

Dieser erste Teil des Abstiegs dauert zwar auch schon länger als gedacht, aber mit jedem Meter wird das Wetter besser. Als wir an der Hütte ankommen, scheint die Sonne vom mittlerweile fast blauen Himmel. Tja, hätten wir das mal geahnt. Zum Ausgleich gibt’s ein Stück Mohnkuchen auf der Hütte und ein nettes Schwätzchen mit zwei Berlinerinnen. Die beiden gehen ein paar Tage durch das östliche Karwendel, lassen aber komischerweise sämtliche Gipfel aus. Die Vorlieben sind eben verschieden.

Von der Plumsjochhütte lässt sich der Weg zum Vorgipfel gut studieren
Von der Plumsjochhütte lässt sich der Weg zum Vorgipfel gut studieren

Passgenauer Abstieg zum Bus

Dank des Plauderns verlassen wir die Hütte ein paar Minuten zu spät. Das sollte aber eigentlich keine besondere Rolle spielen, allzu weit ist der Weg ins Tal nun einmal nicht. Aber wie es halt so ist: es zieht sich – und dann steht eine Rinderherde im Weg herum. Wobei das auch nicht so ganz richtig ist, denn die Kühe wandern gemächlich zurück zu ihrem Stall auf der Plumsalm. Und da der Steig hier eher schmal ausfällt, trotten wir genauso gemächlich hinterher.

Die Kühen trotten in der Nachmittagsonne besonders langsam
Die Kühen trotten in der Nachmittagsonne besonders langsam

So bleibt das Tempo gemächlich bis zum Niederleger, wo wir weiter auf dem Fahrweg absteigen. Hier zeigt ein Blick auf die Uhr: ein zügiges Gehen ist anzuraten. Auf dem Fahrweg läuft’s noch soweit ganz gut, aber die vielen Kehren des fortsetzenden Steiges lassen die Entfernung zur Bushaltestelle nur mehr langsam geringer werden. Dennoch geht es Schritt für Schritt voran, endlich sind wir im Talboden angekommen. Noch die Brücke über den Bach, die kurze Gegensteigung hinauf, noch 200 Meter bis zur Straße. Bei schnellem Schritt dauern diese genau die zwei Minuten, die bis zur Abfahrt des Busses verbleiben. Ich spekuliere darauf, dass dieser in der Eng wegen der Vielzahl an Passagieren verspätet losgefahren wird. Ist er aber nicht, denn kaum stehen wir auf die Sekunde pünktlich an der Bushaltestelle, kommt der Bus auch schon über die Kuppe. Dieser Abstieg hätte keine zehn Sekunden länger dauern dürfen …

Fazit

Die Erkundung der Wege zur Bettlerkarspitze war soweit ganz prima – aber für den Hauptgipfel muss ich natürlich noch einmal wiederkommen. Mit dem Wissen, was mich erwarten wird, werde ich im nächsten Anlauf sicherlich den Gipfel selbst erreichen!

Tourendatum: 25. Juni 2022

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