Berg-Ge(he)n

Hochschrutte bis Büchsentaljoch

Die Schatten erreichen das Ehrwalder Becken, die Mieminger Kette strahlt noch

Nach meinem vierwöchigen Urlaub kommt der Alltag schnell zurück. Wie gut, dass gleich das nächste Wochenende wieder bestes Bergwetter verspricht! Ich kann Sina für einen Abstecher in die südlichen Ammergauer Alpen gewinnen, so dass ich zur Abwechslung mal wieder nicht alleine unterwegs sein werde.

Welcher Berg darf’s heute sein?

Bevor es allerdings am Münchner Hauptbahnhof losgehen kann, wird’s unverhofft spannend: wegen einer U-Bahnstörung muss Sina einige abenteuerliche Umwege in Kauf nehmen. Aber zwei Minuten vor Abfahrt des Zuges erreicht sie rechtzeitig das Gleis. Wir können also pünktlich in Richtung Zwischentoren starten. Ganz langweilig wird die Fahrt auch nicht werden, denn wir haben noch kein konkretes Ziel im Auge: Sina war noch auf keinem der Gipfel im Danielkamm, so dass wir die ganze Auswahl haben. Mir fehlt noch das Pitzenegg, aber auch die Überschreitung der Hochschrutte – vielleicht sogar bis zum Daniel? – wäre natürlich bei dem großartig angekündigten Wetter eine wunderbare Tour. Wir vertagen schließlich die Entscheidung, denn für beide Varianten verläuft der erste Teil des Anstiegs auf den gleichen Wegen.

Steiler Anstieg ins Wiesjoch

Als wir den Zug in dem wie ausgestorben wirkenden Ort Lähn verlassen, ist es noch sehr kühl. Aber schon hinter den letzten Häusern beginnt an einer Lawinenverbauung der Anstieg durch das unscheinbare Wiestal. Während wir uns langsam in der Steigung warmlaufen, kommt dann auch endlich die Sonne ums Eck. Noch spendet sie wohltuende Wärme, später am Tag wird es jedoch umso heißer werden. Egal, welche Gipfel wir ansteuern, Schatten wird immer Mangelware bleiben. Aber noch ist es nicht soweit, denn wir sind noch in der Latschenzone. Erst an der Kreuzung mit einem ersten Fahrweg erreichen wir freies Gelände und somit eine Gelegenheit für einen freien Ausblick. Noch weit über uns zieht sich der Daniel-Kamm entlang, auf der anderen Talseite des Zwischentoren zeigt sich die massive Gartnerwand. Wie immer sehr schön!

Einige wenige erholsame, flache Meter

Und weil es bisher so gut läuft, beschließen wir, die Überschreitung der Hochschrutte anzugehen und – so lange die Kräfte anhalten – dem Grat in Richtung Daniel zu folgen. Vorzeitige Abstiegsmöglichkeiten gibt es schließlich mehr als genug, so dass wir immer wieder neu entscheiden können, wann wir zur Einkehr in der Tuftlalm abbiegen.Eine Ebene darüber beginnt dann der weglose Teil des Tages: der alte Steig ins Wiesjoch ist schon lange aufgegeben worden. Mit genügend Fantasie findet man zwar noch ein paar Steigspuren, im Wesentlichen darf aber das Gespür für’s Gelände zum Einsatz kommen! Mir macht das immer wieder Spaß. Gerade wenn, wie hier, das Gelände zwar steil und anstrengend, jedoch ungefährlich ist. Natürlich hilft mir bei der Wegfindung im zuletzt kaum mehr übersichtlichen Gelände mein letzter Besuch vor zwei Jahren, ich freue mich dennoch, als wir exakt im Wiesjoch den Kamm erreichen.

Das alternative Ziel Pitzenegg bleibt zurück

Jetzt beginnt endlich die schöne Gratwanderung, die uns den steilen Aufstieg rasch vergessen lässt. Die Stimmung ist gut und ich freue mich sehr auf diese wunderschöne Passage!

Der pure Genuss wartet!

Überschreitung der Hochschrutte

Der Anstieg zur Hochschrutte ist nicht allzu weit, aber durchaus spektakulär: die Nordseite fällt steil ab, die Südseite ist weniger grimmig, aber ebenfalls mit grandiosen Talblicken gesegnet. Und dazwischen verlaufen die Steigspuren direkt auf der Kammlinie. Meistens auf leicht zu gehendem Gras, aber gelegentlich dürfen wir auch die Hand an den einen oder anderen felsigen Aufschwung legen und ein paar leichte Platten auf Reibung begehen. Schnell erreichen wir den Gipfel und machen erst mal eine längere Pause. Natürlich mit schöner Aussicht!

Tiefblick von der Hochschrutte zum Heiterwanger See

Der folgende Abstieg ist sehr steil, bietet aber immer wieder einen schönen Rückblick zum Gipfel. Nach einem schwindelerregenden Tiefblick entlang der abgebrochenen Nordflanke folgt ein kurze Teilstück, das diesen Weg als schwierig klassifiziert. Die dünne Seilversicherung entlang eines steilen Fels ist uralt und fällt schon beim Anschauen auseinander. Umso vorsichtiger hangeln wir uns auf die andere Seite, von der aus – wie ich finde! – die schönste Sicht auf die Hochschrutte möglich ist: markant ragt hier in der Rückschau der Ostgrat der Hochschrutte empor.

Formschön zeigt sich die Hochschrutte von ihrer Ostflanke

Der weitere Weg ins Hebertaljoch ist eigentlich ganz einfach. Aber ich verpasse gleich zweimal die richtige Fortsetzung, was Sina nicht besonders gut gefällt. Ein paar extra Höhenmeter sind somit erforderlich, die wir aber problemlos meistern. Nach dem unscheinbaren Kleinen Pfuitjöchl lassen wir dann aber das Große Pfuitjöchl aus und steigen an dessen Flanke hinab ins Hebertaljoch. Vor dem anstrengenden Anstieg zum Büchsentaljoch besteht hier die letzte Möglichkeit, gemütlich zur Tuftlalm abzukürzen. Wir fühlen uns soweit noch fit und gehen die nächste Etappe an: das Büchsentaljoch wartet – und in meiner Erinnerung ist nur der erste Teil des Steigs anstrengend und fordernd.

Wunderschöner Rückblick über den langgezogenen Kamm

Wildes Gelände vor dem Büchsentaljoch

Wie das aber mit dem Gedächtnis so ist – meines war jedenfalls schon mal besser! Nach einer kurzen Latschenpassage erreichen wir das Gelände, was ich noch gut in Erinnerung habe: etwas ausgesetzt steigen wir über eine schuttreiche Passage und eine steile Rampe spürbar bergwärts. Allerdings enden, entgegen meiner Erinnerung, hier nicht die Schwierigkeiten. Ganz im Gegenteil, denn immer wieder unangenehm geht es auf meist wackligen Untergrund weiter: Leichte Kraxeleinlagen und geröllige Passagen wechseln in rascher Folge einander ab.

Wer findet einen Steig?

Nach einem letzten steilen Aufschwung folgt noch einmal eine ausgesetzte Bandstruktur. Diese ist gar nicht nach meinem Geschmack, vermutlich habe ich all diese Schwierigkeiten seit meiner letzten Begehung nicht vergessen, sondern eher verdrängt?! Wenigstens ist der restliche Anstieg zum Büchsentaljoch technisch leicht, auch wenn es ein wenig länger bis zum schmucklosen und einsamen Gipfel dauert: meine Beine werden langsam müde.

Die letzten Schwierigkeiten sind überwunden – endlich!

Nach der dringend erforderlichen Pause überlegen wir noch ein wenig hin und her, ob wir die Kammwanderung fortsetzen oder nicht. Zwar sind Upsspitze und Daniel schon zum Greifen nah, ein dazwischenliegender Einschnitt würde jedoch noch einmal für eine extra Portion an Höhenmeter sorgen. So beschließen wir die großartige Gratwanderung am Büchsentaljoch und machen uns an den langen Abstieg ins Tal.

Daniel und Upsspitze scheinen bereits zum Greifen nah zu sein

Abstieg über die Tuftlalm

Zunächst kommen wir noch gut voran, auf der schuttreichen Passage auf dem Weg hinab zum Grünen Ups werden wir bald langsamer. Zumindest kommt es uns so vor, bis wir eine Familie im Schleichgang überholen. Wenig später tauchen wir bereits wieder in die Latschengassen ein – und im wieder sicheren Gelände geht’s zügig weiter. Der sonst gut besuchte Geländeabsatz am Grünen Ups liegt schon einsam in der tiefer stehenden Nachmittagssonne. Der beginnende Herbst lässt sich kaum mehr verleugnen, noch wärmt die Sonne aber recht ordentlich.

Unterhalb der Upsspitze ist noch nichts grün …

Auch an der nicht mehr weit entfernten Tuftlalm ist kaum mehr etwas los. Wir gehören bereits zu den letzten Gästen an diesem Tag. Eine längere Pause in der Abendsonne ist aber noch drin, denn der letzte Teil des Abstiegs nach Lermoos ist übersichtlich genug für eine Punktlandung zur Abfahrt des Zugs nach München. Bevor es soweit ist, unternehmen wir natürlich noch einen kurzen Abstecher zur neugebauten Aussichtsplattform, von der aus ein schöner Blick zur abendlich angestrahlten Mieminger Kette drin ist. Heute gefällt mir aber das wuchtige Zugspitzmassiv fast noch ein wenig besser!

Das Zugspitzmassiv in der Abendsonne

Fazit

Sehr gutes Wetter, drei Gipfel mitsamt der formschönen Hochschrutte, eine schöne Gratwanderung mitsamt angenehmer und fitter Begleitung – was will man mehr? Besonders lohnend und empfehlenswert ist diese sehr knackige Tour natürlich im Herbst, wenn die Sonne die steilen An- und Abstiege nicht mehr ganz so aufheizt!

Tourendatum: 25. September 2021

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