Achttausender oder acht Tausender – der Unterschied besteht sicherlich in deutlich mehr als nur einem Leerzeichen. Und es ist keine Frage: ich stelle mich nur den acht Tausendern im Bayerischen Wald. Diese recht bekannte Tagestour führt von Eck bei Arnbruck ausschließlich über die Kammhöhen bis zum Großen Arber und gilt als anspruchsvolle Königsetappe des Goldsteigs. Ich bin gespannt, wie ich abschneiden werde!
Inhalt
Mühlriegel
Kurz nach neun Uhr morgens weht ein kalter Wind in Eck, mein heutiger Ausgangspunkt. Ich ziehe mich gleich mal wärmer an und verabschiede mich von meinem Shuttle Service-Team. Im Laufe des Nachmittags werden sie mich am Langlaufzentrum Bretterschachten wieder einsammeln. Wir verabreden uns für vier – bis dahin liegen etwa 20 km und die acht Tausender vor mir. Wenige Meter nach der Passhöhe beginnt auch schon die erste Steigung: ein Forstweg leitet mich noch recht gemächlich in die Höhe. Hin und wieder kommt die Sonne raus, die Bedingungen sind gut. So kann’s weitergehen.
Ich absolviere den Anstieg zügig – und erreiche nach einer halben Stunde entspannt den Mühlriegel, meinen ersten Tausender. Ein unförmiger Fels ragt nur wenig aus dem Wald hinauf, ich steige schnell zum Gipfelkreuz hinauf. Dort nimmt sich gerade ein Trupp Vatertagswanderer das erste Bier des Tages vor und ich mache mich nach ein paar Fotos gleich wieder auf den Weg. Sieben Gipfel liegen ja noch vor mir …
Ödriegel
Die breiten Wege des Aufstiegs zum Mühlriegel werden nun schmaler und gehen in der Senke zum Ödriegel endgültig in einen Steig über. Die Markierungen sind großzügig verteilt, gefühlt hat jeder dritte Baum einen Farbklecks abbekommen. Mir kommt diese Intensität reichlich übertrieben vor. Wenige Minuten später freue ich mich dann doch darüber, denn in einem Windwurfgebiet wird’s eher unübersichtlich. Die Sache ist letztlich aber einfacher als gedacht, ich orientiere mich einfach immer an der Kammhöhe. Keine halbe Stunde nach meinem Aufbruch am Mühlriegel erreiche ich den optisch deutlich prägnanteren Ödriegel. Eine Dreiergruppe aus Sachsen macht Erinnerungsfotos, traut sich aber erst auf den steilen Felsen, als ich erkennbar nicht abstürze.
Schwarzeck
Nach den beiden raschen Gipfeln zum Einstieg folgt jetzt eine längere Überführungspassage zum dritten Tausender. Auf halber Strecke erreiche ich eine größere Kreuzung, auf der von beiden Talseiten Wege hinaufführen. Jetzt ist deutlich mehr los! Eine Gruppe E-Mountainbiker ist mit mir in Richtung Schwarzeck unterwegs. Als Fußgänger habe ich ein paar Vorteile und überhole letztlich die Fahrradträger dauerhaft: das Gelände wird zunehmend holpriger, zahlreiche felsige Passagen kommen nun hinzu. Mir macht’s Spaß, die Biker brechen irgendwann entnervt ab. Als ich den Gipfel des Schwarzecks erreiche, kommt noch einmal die Sonne raus. Ich genieße den Ausblick über den Lamer Winkel zum Osser und freue mich über die Wärme. Zuletzt war ich nur noch im schattigen Wald unterwegs und der Wind ist immer noch recht frisch.
Reischflecksattel
Der folgende Abstieg vom Schwarzeck fällt tiefer aus als notwenig und ich steige zum vierten Tausender, dem Reischflecksattel, hinauf. Vom Namen her erwarte ich keinen Gipfel, sondern vielmehr einen Übergang. Und genauso ist es, eine moosige Hütte markiert den höchsten Punkt in dem weitläufigen, bewaldeten Sattel. Sehr unspektakulär – und ich beschließe, diesen Tausender in meine Zählung nicht aufzunehmen. Eine Frage der Ehre!
Heugstatt
Wie gut, dass gleich nach dem Reischflecksattel der nächste Aufstieg beginnt. Der Heugstatt ist wieder eine stattliche, breite Erhebung und der Anstieg durchaus steil. Die Sonne ist längst hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden, was den Aufstieg natürlich erleichtert. Auf dem vierten Tausender angekommen ist ungefähr Halbzeit – und viel Platz für eine halbwegs gemütliche Mittagspause auf dem Gipfelplateau. Das dazugehörende Gipfelkreuz steht zwei Gehminuten weiter über der Westflanke, von der aus eine größere, lautstarke Wandergruppe herüberkommt. Ich verlängere spontan meine Pause um eine Viertelstunde, um der Gruppe einen Vorsprung zu verschaffen.
Enzian
Gut gestärkt verlasse ich den Heugstatt und steige in die nächste Einschartung hinab. Gleich auf der anderen Seite erhebt sich der nahe Enzian. Hier hat vor einigen Jahren Orkan Kyrill ganze Arbeit geleistet: die gesamte Bergflanke hat ihren früher dichten Wald eingebüßt. Das heißt aber nicht, dass es hier nun kein Leben mehr geben würde. Ganz im Gegenteil: niedrige Büsche und vielfältige Baumarten haben schon lange mit der Wiederbesiedlung begonnen. In einigen Jahrzehnten wird hier ein ganz neuer Wald entstanden sein, der sicherlich viel abwechslungsreicher sein wird als zuvor.
Apropos abwechslungsreich: am Gipfel des Enzian lagert schon die nächste bierselige Wandergruppe, die ihren Gipfelerfolg begießt. Na dann: Prost!
Kleiner Arber
Der Abstieg vom Enzian führt mich zu einem kleinen Hochmoor. Ich hätte nicht gedacht, dass ich bei dieser Gipfelwanderung über Bohlenstege laufen werden. Aber nach hundert Metern ist der Spaß auch bereits wieder vorbei – und der nächste Anstieg wartet: bis zum Kleinen Arber sind es noch 150 Höhenmeter. Nicht mehr ganz so dynamisch wie zu Tourenbeginn steige ich hinauf und verlasse dabei die Windwurfgebiete. Durch bald wieder dichten Wald nähere ich mich dem höchsten Oberpfälzer Gipfel, den ich von seiner Rückseite in leichter Kraxelei erklimme und mir so zwanzig Meter zu Fuß einspare. Hier kommen mir nun erstmals Menschen in nennenswerter Zahl entgegen, die nahe Arber-Bergbahn macht sich bemerkbar. Das Wetter ist weiterhin trüb, es macht mir kaum Freude, den Fotoapparat aus dem Rucksack zu holen …
Ohne größere Pause kraxele ich vom Kleinen Arber wieder herunter und steige wieder durch Windwurfgebiete in Richtung Chamer Hütte ab. Auch wenn durch die zahlreichen Auf- und Abstiege meine Muskulatur etwas gelitten hat, bin ich weiterhin gut in der Zeit und optimistisch, bereits gegen drei Uhr den Parkplatz am Bretterschachten zu erreichen.
Großer Arber
Allerdings habe ich die Rechnung ohne den Aufstieg zum Großen Arber gemacht. Der zieht sich nämlich ganz schön in die Länge. Auf eine nervige Forststraße folgen unregelmäßige Holzstufen, sehr uncool. Aber Vorteil Bayerischer Wald: kein Anstieg dauert wirklich lange! Ich komme also dem Gipfel bald näher und erfreulicherweise kommt für zwei, drei Minuten endlich mal wieder die Sonne raus!
Direkt unterhalb des Gipfelkreuz erwarten mich der Rettungswagen und die Bergwacht. Ein älterer Wanderer ist offensichtlich zusammengebrochen und nicht transportfähig. Während die Rettungskräfte auf den Hubschrauber warten, geht wenige Meter weiter das Leben seinen gewohnten Gang. Ich mache auf dem achten Tausender eine kleine Verschnaufpause und unternehme noch einen kurzen Fotoabstecher zu einer Felsenformation im Norden des Gipfelplateaus. Wenn der eine oder andere Sonnenstrahl jetzt noch herauskommen würde, könnte man hier stimmungsvolle Fotos machen. Heute ist wohl eher nicht der Tag dafür …
Mittagsplatzl
Mein Abstiegsweg zum Bretterschachten führt über das Mittagsplatzl. Den Abzweig in diese Richtung habe ich schon beim Aufstieg zum Großen Arber entdeckt, so dass ich nun die nervigen Holzstufen wieder hinunterstapfen kann. Von oben sah der weitere Weg zum Mittagsplatz ganz vernünftig aus – und ich hoffe, zügig voranzukommen. Die Realität fällt dann aber eher anders aus: die Seenlandschaft ist eher schlecht zu begehen und ich bin von den vielen Umgehungen matschiger Strecken zunehmend genervt. Es zieht sich. Der finale Aufstieg zum Mittagsplatzl ist dann kurz, aber knackig. Endlich oben auf dem nach meiner eigenen Zählung nun achten und letzten Tausender des Tages. Die Bank am Gipfelkreuz über dem steilen Absturz zum Arbersee ist leider schon besetzt, aber ich bin sowieso schon eher spät dran. Das Shuttle Service-Team wartet schließlich schon am Bretterschachten auf mich – ich avisiere meine Ankunft nun auf 15:25. Ich begnüge mich also mit einem Foto und schaue über Bayerisch Eisenstein hinüber nach Tschechien.
Der Abstieg wartet schließlich schon. Auf der Karte sieht er sehr entspannt aus, aber der viele Matsch unter meinen Schuhen macht die felsigen Platten unangenehm zu begehen. Das Gelände wird aber bald besser und schließlich muss ich nur noch ein paar Forststraßen abwärts laufen. Auf die Minute pünktlich verlasse ich den Wald und erreiche den Parkplatz am Langlaufzentrum, wo mich das Shuttle Service-Team bereits in Empfang nimmt. Die je nach Zählweise acht oder neun Tausender sind geschafft!
Fazit
Die Anforderungen an die Überschreitung der Acht Tausender waren eher moderat. Der Charme der Streckentour liegt weniger in technischen Finessen, sondern vielmehr in der stetigen Abfolge der Gipfel, die im Wesentlichen die einzigen Aussichtspunkte während der Tour bieten. Insgesamt lohnte sich der Besuch im Bayerischen Wald durchaus, nicht nur wegen dem leckeren Kuchen beim Zwischenstopp auf der Rückfahrt in Arnbruck!
Tourendatum: 26. Mai 2022
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