Berg-Ge(he)n

Wilde Fräulein und Jägerkamp

Die Bergnamen rund um den Spitzingsee bestechen nicht gerade durch Originalität: Roßkopf, Rotwand und Rauhkopf sind weit verbreitete Benennungen und alles andere als einzigartig. Und dann gibt’s da auch noch die Wilden Fräulein, ein ungewöhnlicher Felsriegel in der Flanke des Jägerkamps. Der Ursprung des Namens ist unklar, aber ein Besuch bei den Wilden Fräulein erscheint natürlich verheißungsvoll!

Nicht viel los bei den Wilden Fräulein

Nach meiner Tour am Vortag zur Auerspitze folgt gleich der nächste schöne Bergtag. Und weil auch am Folgetag das Wetter gut werden soll, plane ich nur eine kurze Tour ein. Da bietet sich ein erneuter Tag im Spitzingseegebiet an, das ich von München aus recht schnell erreichen kann. So sitze ich dann am späten Vormittag im Zug und überlege, welchen Gipfel ich ansteuere – die Auswahl ist schließlich groß. Ich entscheide mich recht spontan für die schon länger nicht mehr besuchten Wilden Fräulein. Dieser recht unbekannte Nebengipfel des Jägerkamps ist im Anstieg nur weglos zu erreichen und wird nur selten besucht. Ein echter Geheimtipp gleich neben dem überlaufenen Spitzingsee!

Der Spitzingsee ist sanft in die umliegenden Gipfel eingebettet

Auf dem Anstiegsweg in Richtung Schönfeldalm ist natürlich einiges los. Ich überhole eine Gruppe von Juristen, deren Wortführer selbstbewusst die Fälle bereits vor den Urteilen in der Tasche zu haben glaubt – und bin froh, bald abzweigen zu dürfen. Die Wiesenfläche in Richtung zu den Wilden Fräulein ist steiler, als ich sie in Erinnerung hatte. In zahlreichen Serpentinen arbeite ich mich nun sowohl ein- als auch mühsam in Richtung der baumbestandenen Wilden Fräulein vor, wo sich am Rande der Weidefläche ein kleiner Steig ausgebildet hat. Noch ein steiler Aufschwung und ich stehe dort, wo früher mal ein kleines, aber schmuckes Gipfelkreuz stand. Schade, aber egal: jetzt habe ich mir erst einmal eine Essenspause verdient. Und meine Beinmuskulatur freut sich auch auf Entspannung …

Am improvisierten Gipfelkreuz der Wilden Fräulein

Gegen Ende meiner Pause taucht eine Vierergruppe auf – inklusive zweier Damen! Beide dürften allerdings ihre wilden Jahre schon vor einigen Jahrzehnten hinter sich gebracht haben. Aber was kann man auch an einem Freitag in den Münchner Hausbergen erwarten, wenn nicht Seniorengruppen?

Auch im Mangfallgebirge kann es alpin zugehen – aber nur neben dem Steig …

Wegempfehlungen für Verirrte

Sobald ich mich auf den weiteren Weg zum Jägerkamp mache, werde ich mit einem zumindest rund um den Spitzingsee neuen Phänomen konfrontiert: in den dichten Latschengassen begegnen mir gleich mehrere Gruppen, die sich offenbar verlaufen haben und jetzt auf gut Glück einfach dem nächstbesten Steig zu folgen scheinen. Eine Familie kann ich immerhin davon abhalten, durch die extrem steile Rinne zur Oberen Schönfeldalm abzusteigen und eine Studentengruppe freut sich über die Information, wo sie sich gerade befindet. Hoffentlich kommen alle wieder sicher im Tal an.

Vom Nebengipfel ist es eine nur kurze Gratwanderung zum Gipfelkreuz

Wenig überraschend ist der beliebte Jägerkamp auch heute gut besucht. Ein richtig ruhiges Plätzchen ist nicht in Sichtweite. Apropos Sichtweite: die ist heute auch nicht gerade überragend, denn immer wieder ziehen Wolkenfetzen direkt über die Gipfel. Und so bleibt mir wenig übrig, als eine nur kurze Verpflegungs- und Fotopause einzulegen. Ein Blick auf die Uhr lässt mich besonders zeitig wieder aufbrechen: mit einem schnellen Abstieg könnte ich einen frühen Zug in Fischbachau erreichen – los geht’s!

Nebelfetzen ziehen um und über den Jägerkamp

Einsamer Abstieg über die Benzingalm

Auf dem Weg über den Nordgrat zur Jägerbauernalm wird es bald ruhiger. Am Rande der Almfläche zweigt dann mein Steig in Richtung Benzingalm ab. Hier wird es traditionellerweise regelrecht einsam, denn für die Autofahrer wird die Rückkehr zu den Parkplätzen rund um den Spitzingsee mit jedem Schritt nur länger. Bahnfahrer sind nun eindeutig im Vorteil – und ich genieße beim weiteren Abstieg die wohltuende Ruhe. Wobei Ruhe eigentlich das falsche Wort ist: das Wasser plätschert im im Brunnen der Benzingalm und die Glocken der Kühe bimmeln. Bergidylle für Stadtbewohner wie mich …

Ein nahezu vergessener Ort: die Benzingalm

Schon fast im Tal, die Bundesstraße ist bereits gut zu hören, passiere ich die kleine Kapelle in Sichtweite des ersten Auracher Hofs. Da ausnahmsweise etwas Zeit bis zur Abfahrt des Zuges bleibt, mache ich nicht nur ein schnelles Foto, sondern schaue mir die Kapelle etwas genauer an. Offenbar ist diese deutlich jünger als gedacht: erst vor etwa zwanzig Jahren wurde sie auf private Initiative erbaut. Wieder etwas gelernt! Heute ist die Tür der Kapelle leider abgeschlossen, aber vielleicht habe ich ein anderes Mal mehr Glück und kann einen Blick hineinwerfen.

Wie häufig bin ich schon ohne Stopp an der Kapelle vorübergegangen?

Fazit

Die Wilden Fräulein sind, selbst ohne Damenbegleitung, immer einen Besuch wert – gerade für Bergtage mit einem begrenztem Zeitbudget!

Tourendatum: 3. September 2021

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