Es war einmal eine Zeit, in der ich mit Schnee wenig bis nichts anfangen konnte. Und dann wird nach gut vierzig Jahren auf einmal alles anders: binnen weniger Wochen finde ich mich bei bester Schneelage in der Leutasch wieder – mit zwei langen und viel zu schmalen Brettern unter den Füßen!
Inhalt
Vom Langlaufkurs bis zum Langlaufurlaub
Erst Anfang Februar stand ich bei einem Langlaufkurs für blutige Anfänger zum ersten Mal überhaupt auf Skiern. Gerd Müller von der sehr empfehlenswerten Skischule in Bayrischzell hat am Schliersee und im Leitzachtal schon einige Koryphäen trainiert. In die Fußstapfen von Peter Schlickenrieder, den er in Salt Lake City zu Olympia-Silber coachte, werde ich wohl allerdings nicht mehr treten. Nach zwei Tagen bin ich aber soweit und kann einigermaßen stabil auf den langen Latten stehen. Sofern es nicht gerade mehr als geringfügig abwärts geht, versteht sich: jedes größere Gefälle bringt mich noch in große Schwierigkeiten. Bremsen kann ich nämlich nur theoretisch. Bereits Ende Februar ergibt sich die erste Gelegenheit, meine neuen Langlaufkenntnisse in der Praxis zu erproben. Dorothees Vater nimmt mich dankenswerterweise zu gleich zwei Langlauftagen im Vorderen Bayerischen Wald mit.
Knogl
Die Anfahrt zum ersten Tag wird überschattet vom beginnenden Krieg in der Ukraine, fassungslos fahren wir in Richtung Bayerischen Wald. Nach ein paar harmlosen Stürzen auf der wegen geringer Schneeauflage nicht mehr gepflegten Sonnenloipe bei Maibrunn bringt mein erster Langlauftag auch ein grandioses Glücksgefühl mit sich: ein ganzer, sturzfreier Kilometer schnelle Abfahrt auf der leichten Hochwaldloipe bei St. Englmar. Die Sportuhr zeigt später Geschwindigkeiten von 35 km/h an. Ich bin total begeistert und sehr motiviert, auch noch den Anstieg zum Knogl zu beginnen. Auf diesem außerordentlich langen Anstieg kann ich meine Stärken ausspielen! Der kurze Abstecher per pedes von unserem spontanen Skidepot zum Knogl ist dann nur noch Formsache. Mein erster Gipfel im Bayerischen Wald – und dann auch gleich als Langlauftour!
Hirschenstein
Die lange Abfahrt zurück zum Ausgangspunkt wird ein einziges Schneepflugtraining. Der folgende Muskelkater wird mich noch etwas begleiten. Wenige Tage später – ich habe mich offenbar zu größeren Unternehmungen qualifiziert! – folgt dann die Hirschensteinloipe. Den Anstieg in Richtung Knogl kenne ich ja schon ganz gut, es folgt ein meist angenehmes, leichtes Auf und Ab an den Fuß des Hirschensteins. Eine knackige Abfahrt ist dabei, leider endet die Spur in einer engen Kurve – und ich im Schnee. Ansonsten geht’s aber prima vorwärts, auch im ungespurten Aufstieg zum Hirschenstein komme ich mit den langen Ski recht gut zurecht. Den Rückweg zur Loipe nehme ich aber lieber zu Fuß in Angriff – und die weitere Rückfahrt verläuft weitgehend problemlos. Die lange Schneepflugabfahrt zieht sich wieder, aber ich bin schon etwas routinierter unterwegs.
Dorothee kann natürlich schon seit Kindesbeinen langlaufen – und ist der Idee eines Langlaufurlaubs mehr als aufgeschlossen. Spontan buchen wir am nächsten Tag eine Ferienwohnung in Leutasch für Mitte März!
Leutascher Norden
Bei bestem Wetter fahren wir zwei Wochen später durchs Werdenfelser Land. Der Schnee ist in den letzten, sehr sonnigen Wochen ordentlich geschmolzen. Die Loipe bei Klais, auf der ich zehn Tagen zuvor auf einer letzten Trainingsrunde ein paar Mal zu häufig gestürzt bin, ist bereits geschlossen. Ein wenig bange ich beim Vorbeifahren um das Langlaufvergnügen, aber wir haben Glück: in der Leutasch liegt noch ordentlich Schnee. Die Ferienwohnung ist geräumig und liegt praktischerweise in der Nähe einer Loipe. Wir nutzen also gleich den ersten richtigen Urlaubstag und fahren auf den leichten Loipen durch das Tal in Richtung Norden. Mein Ski läuft auf der Hinfahrt fast von alleine – das Wachsen hat sich gelohnt. Auf dem Rückweg wird es später, denn im nun weichen Schnee wird es nun mühsamer. Dennoch macht’s so richtig Spaß und die Kilometer ziehen vorbei. Eine medizinische Pause ist auch dabei, denn eine Blase an Dorothees Ferse will abgeklebt werden. Den restlichen Nachmittag verbringen wir auf dem Balkon und genießen die warme Frühjahrssonne.
Leutascher Süden
Am Folgetag ist das Wetter erneut vom allerfeinsten – und wir nehmen uns die Talloipe in Richtung Leutascher Süden vor. Dorothee muss aber nach dem ersten Kilometer umdrehen: die Blase an der Ferse macht größere Probleme als gedacht. Ich muss also alleine weiterfahren und mache prompt bei einer kurzen Abfahrt Bekanntschaft mit dem Schnee. Warum enden eigentlich ständig die ansonsten vorbildlich angelegten Spuren ohne Ankündigung und vor allem ausgerechnet in Kurven? Glücklicherweise sind die Loipen danach wieder topfeben und ich kann das Gleiten durch die winterliche Landschaft wieder genießen. Mir fällt auf, wie sehr das ganze Leutascher Hochtal auf den Langlauftourismus eingerichtet ist. An allen größeren Straßen gibt es Unterführungen, die teilweise sogar gespurt sind. Sehr praktisch!
Auf Höhe der Hohen Munde erreiche ich die finale Wendeschleife der leichten Loipen. Zeit für eine Verpflegungspause und ein Studium des Loipenplans. Eine mittelschwere Loipe würde zwar fortsetzen, aber ich beobachte einige gute Langläufer bei der Abfahrt. Mein Elan erlahmt schnell – und ich ziehe die direkte Rückfahrt zur Ferienwohnung vor. In dieser Richtung geht’s sogar ohne Abfahrtssturz!
Die Sage vom hausgemachten Zirbenschnaps
Der Dienstag bringt viel Saharastaub mit sich und wir legen einen Pausentag ein. Die Muskulatur erholt sich, während es draußen einfach nur trüb ist. Am nächsten Tag wird’s besser – und das Vermieterehepaar bietet zur Gästebespaßung eine Schneeschuhwanderung an. Die meisten Gäste verzichten, aber Othmar stapft mit einem holländischen Pärchen und uns los: direkt neben dem Haus geht’s schon querfeldein den Hang hinauf. Die Sicht war saharastaubbedingt schon einmal besser, aber es macht Spaß!
Kurz vor der Rückkehr zu den Ferienwohnungen lädt Othmar die kleine Gruppe noch in seine kleine Berghütte auf einen Zirbenschnaps ein. Er erzählt viel von den (Erfolgs-) Geheimnissen des Brennens und möchte gerne den Eindruck erwecken, dass die in der Hütte gelagerte Flasche Zirbenschnaps von ihm selbst gebrannt sei. Das konkludente Bemühen, das Etikett mit dem Logo eines bekannten Lebensmitteldiscounters immer in der Hand zu behalten, ist Othmar anzusehen, bleibt jedoch letztlich erfolglos. Ein Versuch ist’s bestimmt wert gewesen, die vermeintlich ahnungslosen Urlauber wollen schließlich unterhalten werden.
Tagesausflug nach Innsbruck
Nach der Rückkehr von einer eher kurzen Langlaufrunde am Donnerstag sonnen wir uns am Nachmittag wieder auf dem Balkon. Zumindest solange sich die Sonne gegen den Dunst durchsetzen kann. Kaum sind wir aber ins wärmere Wohnzimmer umgezogen, lockt uns das Geräusch eines Hubschraubers wieder auf den Balkon. Der dreht nämlich direkt über dem Haus eine Runde im Tiefflug und setzt dann zur Landung an. Im Garten, lediglich ein paar Meter entfernt. Offenbar ein medizinischer Notfall im Nachbarhaus, auch wenn der Helikopter wenig später ohne Patient wieder abhebt. Neben dem akustischen Spektakel bleibt als längere Erinnerung noch der Kerosingestank übrig.
Den letzten richtigen Urlaubstag verbringen wir nicht in der Leutasch, sondern mit einem Ausflug nach Innsbruck. Dort gibt’s wie immer viel zu entdecken: Wir schlendern ein wenig durch die Straßen für den ersten Überblick der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der alten Stadt am Inn. Nachmittags bleibt genügend Zeit für die Hofburg, die ich bisher noch nicht besichtigt habe. Wir haben Glück, dass die nächste Führung nur wenige Minuten später beginnt – und lernen viel vom begeisterungsfähigen Museumsführer hinzu. Zugegeben: viele Details habsburgischer Nebenlinien werde ich sicherlich bald wieder vergessen haben.
Ein letzter Abstecher zur Rauthhütte
Für unseren Abreisetag sind sich die verschiedenen Wetterberichte nicht ganz einig. Das ist letztlich nicht so wichtig, denn als wir aufwachen, begrüßen uns blauer Himmel und strahlender Sonnenschein. Für diesen erhofften Fall haben wir uns die kurze Wanderung zur Rauthhütte vorgenommen. Eine kurze Autofahrt später stehen wir am Ausgangspunkt und machen uns auf den meist einsamen Weg in Richtung Hoher Munde. Der zunächst noch wenige Schnee wird bald tiefer und rutschiger, so dass Dorothee ihre neuen Grödel ausprobieren kann. Auch die steilere Passage ist damit kein Problem mehr und wir erreichen bald die Rauthhütte, von der aus man die Leutasch gut überblicken kann.
Wir ergattern noch einen freien Tisch und genießen unser Mittagessen in der Bergsonne. Als immer mehr Wolken aufziehen, überlassen wir die Hütte den mittlerweile zahlreichen Tourenskigängern und steigen wieder ins Tal ab. Das Auto wartet schon auf seinen Einsatz für die Rückfahrt …
Fazit
Mein allererster Winterurlaub überhaupt hat mir sehr gut gefallen! Aber auch sonst war die Woche in Leutasch angenehm abwechslungsreich. Eine klare Empfehlung für Langläufer – und solche, die es werden wollen!
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