Am Vorabend des Tourenbeginns habe ich noch lange an der besten Route für den ersten Tag getüftelt: Den zunächst angedachte Aufstieg von Wattens über Tulfes zur Glungezer Hütte verwerfe ich schließlich. Stattdessen wähle ich den Gratweg vom Patscherkofel, der zwar weniger Höhenmeter, aber dafür umso mehr Aussichten verspricht. Eine gute Wahl, wie sich herausstellen wird!
Inhalt
Anfahrt nach Innsbruck
Die meisten meiner Bergtouren sind mit einem unangenehm frühen Aufstehen verbunden. Heute ist alles anders, denn mein EuroCity in Richtung Italien wird erst um 9:34 am Münchner Hauptbahnhof abfahren. Ich kann mir also morgens Zeit lassen und gemütlich mit U- und S-Bahn zum Bahnhof fahren. Mit einem frischen Tee in der Hand suche ich mir einen schönen Platz im Zug: die Reservierung habe ich mir gespart. Da ich frühzeitig am Bahnsteig bin, kann ich mir wie erhofft einen Platz aussuchen. Nach der pünktlichen Abfahrt verlässt der Zug auch schnell das Münchner Stadtgebiet, die Berge kommen auf dem Weg nach Rosenheim bald näher. Besonders gut gefällt mir aber jedes Mal auf’s Neue die Strecke durch das Inntal: bei so vielen Bergen fällt’s mir durchaus schwer, faktisch nur auf einer Seite aus dem Fenster schauen zu können …
Start am Patscherkofel
Nach der Ankunft in Innsbruck versorge ich mich in einer Bäckerei mit ein paar frischen Vinschgerln. Da der Bus zur Patscherkofelbahn nicht am Bahnhof hält, spaziere ich zur nahen Museumstraße. Der Ticketautomat nimmt nur Münzen, kann aber nicht wechseln. So wird die Einzelfahrt sicherlich der geringste Betrag sein, den ich jemals mit einer Kreditkarte zahlen werde. Bald kommt auch schon ein Bus der Linie J, die Fahrt zur Talstation der Patscherkofelbahn zieht sich allerdings etwas. Umso schneller geht es danach weiter, denn an der Talstation ist überhaupt nichts los. Eine Viertelstunde später verlasse ich die Bergstation bereits 1.000 Meter weiter oben – es geht endlich los!
Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, zum Gipfel des Patscherkofels hinaufzusteigen. Die Gipfelstube ist hoffnunglos von Seilbahntouristen überfüllt, immerhin verlaufen sich die vielen Besucher auf dem überraschend großzügigen Gipfelplateau etwas. Dennoch bin ich froh, mich nach einigen Fotos auf den weiteren Weg in Richtung der Glungezer Hütte machen zu können.
Der Steig ist ganz prima angelegt und gut zu gehen. Zunächst bin ich über die zahlreichen Touristen verwundert, lerne aber Dank einiger Infotafeln schnell hinzu: der Zirbenweg führt von der Patscherkofelbahn zur Bergstation der Glungezerbahn. Er erfreut sich offenbar vor allem bei Senioren und Familien großer Beliebtheit. Mir persönlich wäre dieser Höhenweg zwar einerseits zu übersichtlich, andererseits macht er auf mich aber einen grundsätzlich lohnenden Eindruck: der Ausblick vor allem über das Inntal hinweg ins nahe Karwendel ist großartig!
Überschreitung der Viggarspitze
Nach der Einkehr in der Boschebenhütte bin ich dennoch froh, dass der Zirbenweg abzweigt: ich folge weiter dem nun recht einsamen Grat, auf dem die Latschen immer weniger werden. Direkt neben dem Weg liegt im schon alpineren Gelände die Viggarspitze, an der ich natürlich nicht einfach so vorübergehen kann. Der Steig zum Gipfel ist steil, aber umso schneller stehe ich auf dem höchsten Punkt. Ich packe die in Innsbruck gekauften Vinschgerl aus und genieße bei einer ordentlichen Brotzeit die wunderbare Aussicht.
Interessanter als der unspektakuläre Aufstieg ist der alternative Abstieg von der Viggarspitze: auf einer Karte habe ich einen Steig entdeckt, der auf der Ostseite hinabführt. Vor Ort ist davon nicht viel zu entdecken, mit viel Fantasie erahne ich aber zumindest den Einstieg. Ich bin mir zunächst nicht sicher, ob ich wirklich mit dem großen Rucksack über das unübersichtliche, steile und mit Latschen durchsetzte Gelände absteigen will. Meine Neugier siegt, es kann nicht viel schief gehen. Und tatsächlich dauert es nur wenige Minuten, bis ich wohlbehalten wieder auf dem Normalweg stehe. Ist es schon fast überflüssig zu erwähnen, dass mir solche kleinen Abenteuer dann im Nachhinein immer sehr gefallen?
Aufstieg zur Glungezer Hütte
Gut gelaunt mache ich mich an den weiteren Weg zur Glungezer Hütte. Das letzte Grün bleibt langsam zurück als ich weiter ansteige, das Gelände wird zunehmend alpiner. Eine Zeitlang mache ich noch Strecke – und stehe dann unter einem steilen Hang, an dessen oberer Kante eine Tiroler Fahne im Wind flattert: da muss die Hütte stehen!
Zwischen mir und dem verdienten Spezi auf der Hüttenterrasse liegen noch gut 100 Höhenmeter. Der Steig ist gut angelegt und so stehe ich wenige Minuten später am Rand einer kleinen Senke, auf deren anderer Seite bereits die Glungezer Hütte nicht zu übersehen ist. Geschafft!
Eigentlich könnte die Hütte perfekt sein: tolle Terrasse, angenehme Atmosphäre, entspanntes Hüttenteam, Steckdosen an den Tischen in der Stube, mit der Sonnenspitze und dem Glungezer gleich zwei nur wenige Gehminuten entfernte Hausberge, sehr gutes Essen – aber es gibt kein Spezi! Ich kann also nur 4,97 von 5 möglichen Hüttenpunkten vergeben …
Abendliches Briefing auf der Sonnenspitze
Die Glungezer Hütte ist der Ausgangspunkt für die Überschreitung der Seven Tuxer Summits. Der fordernde Wegverlauf ist nicht ganz einfach und sollte nur bei guten Wetterverhältnissen begangen werden. Der Wirt der Glungezer Hütte bietet deshalb einen ganz besonderen Service an: nach dem Abendessen bittet er alle Überschreitungsaspiranten zum abendlichen Briefing auf die unmittelbar neben der Hütte gelegenen Sonnenspitze.
Während des farbenprächtigen Sonnenuntergangs erläutert er ausführlich den Wegverlauf und gibt zahlreiche Hinweise zu möglichen Umkehrpunkten. Da auch die tagesaktuelle Wettervorhersage für den morgigen Tag sehr gut ausfällt, steht einem großartigen Bergerlebnis am zweiten Tourentag nichts mehr im Weg!
Tourendatum: 8. September 2020
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