Berg-Ge(he)n

Überschreitung der Hochries

Das Wetter auf der Hochries soll schon mal besser gewesein sein ...

Mein erster Besuch der Hochries fiel vor einigen Jahren regelrecht ins Wasser: entgegen der gar nicht mal schlechten Wettervorhersage regnete es stundenlang, so dass ich weder den Gipfel noch die Wege dorthin so richtig genießen konnte. Heute steht dann endlich nicht nur die Wiederholung auf dem Plan, ich plane darüber hinaus auch eine richtige Überschreitung. Von Aschau aus werde ich auf dem bereits bekannten Weg zur Hochries hinaufgehen, der Abstieg führt dann über viele Kilometer ins Inntal bei Nußdorf und weiter zum Bahnhof in Brannenburg. Eine lange Tour, aber jetzt, Ende Oktober, sind die Temperaturen erträglich – und ich hoffentlich gut in Form!

Bedeckter Himmel zum Start in Aschau

Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich zuletzt in Aschau gewesen bin. Aber irgendwie hat sich nicht so viel verändert: das Dorf liegt morgens genauso still da wie bei meinem letzten Besuch, der Triebwagen der Baureihe 628 hat zwischenzeitlich wohl auch keine andere Strecke mehr befahren. Man könnte auch sagen: oberbayerische Beständigkeit und Verzicht auf Überraschungen kennzeichnen auch heute den kleinen Ort. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet hier, in dieser Vorzeigeidylle, sich erst wenige Wochen zuvor ein Mord an einer jungen Frau ereignet hat …

Das Schloss Hohenaschau beherrscht das Priental
Das Schloss Hohenaschau beherrscht das Priental

Es ist morgens noch frisch – und bedeckt. Die Wettervorhersage hatte deutlich mehr Sonne angedeutet, aber ich werde die nächste Zeit sowieso fast nur im Wald unterwegs sein. Ganz abgesehen davon, dass ich die Situation nur zu gut bereits kenne, macht es mir zunächst auch nichts aus, es kann im Laufe des Tages sowieso nur sonniger werden. Zudem muss ich mich ja sowieso erst warmlaufen, was auf der kurzen Strecke nach Weidachwies mir auch schnell gelingt. Dort zweige ich ab, denn ich habe auf einer Karte eine Abkürzung entdeckt. Vor Ort wird’s allerdings schwierig, den dazugehörigen Steig zu entdecken …

Hier ist der Pfad schon wieder gut ausgeprägt. Sieht man doch, oder?
Hier ist der Pfad schon wieder gut ausgeprägt. Sieht man doch, oder?

Es findet sich aber immer wieder ein Pfad und so erreiche ich auch bald die Hofalm. Weiter geht’s auf den mir bekannten Weg durch einen talähnlichen Einschnitt. Schon 2015 war es auf dem Steig ganz schön holprig, aber heute regnet es wenigstens nicht. Als dann wenig später am Rande der Riesenalm sogar die Sonne rauskommt, lege ich eine spontane Pause an der schon einige Jahre nicht mehr bewirtschafteten Riesenhütte ein. Die Brotzeit mit Aussicht zur Hochries kommt genau recht.

Die Riesenhütte ist seit Jahren geschlossen, bietet aber eine kleine Pausenbank
Die Riesenhütte ist seit Jahren geschlossen, bietet aber eine kleine Pausenbank

Nur wenig Sonne auf der Hochries

Der weitere Weg über die Riesenalm an den Fuß des Gipfelaufbaus der Hochries ist gut gestärkt natürlich schnell absolviert. Die letzten 200 Höhenmeter absolviere ich zügig und ergattere ein ruhiges Platzerl auf der Terrasse der Hochrieshütte. Das ist gar nicht so einfach gewesen, denn zahlreiche Besucher sind schon vor mir angekommen. Ein Blick auf die Schuhe verrät aber, dass die meisten dafür wohl eher die Seilbahn genommen haben dürften. Und überhaupt: ich habe einen grandiosen Ausblick auf die letzten Meter, die die Seilbahnfahrer dann doch noch zu Fuß zurücklegen müssen. Eigentlich fehlt mir nur noch Popcorn. Und Sonne, denn die verschwindet immer öfter hinter dem schmalen, aber dichten Wolkenband, das sich der Länge nach über die Hochries bewegt. So viel Pech habe ich schon lange nicht mehr gehabt.

Immerhin zeigt sich mit dem Karkopf der Nachbarberg der Hochries!
Immerhin zeigt sich mit dem Karkopf der Nachbarberg der Hochries!

Abstecher zum Karkopf

Andererseits wollte ich auch gar nicht so lange auf der Hochries sitzen bleiben. Der Weg bis ins Inntal ist schließlich noch sehr weit. Aber bevor es im großen Stil abwärts geht, folge ich erst einmal dem Kammverlauf nach Westen. Dort wartet mit dem Karkopf gleich der nächste Gipfel. Dieser fällt eher klein und keck aus, aber es gibt ein kleines Gipfelbankerl. Dem höchsten Punkt etwas vorgelagert ist über steilen Felsen eine Wiese, die einen prima Aussichtspunkt verspricht. Leider ist mal wieder keine Wolkenlücke in Sicht.

Steiles Gelände am Karkopf. Aber immer noch keine Sonne ...
Steiles Gelände am Karkopf. Aber immer noch keine Sonne …

Schilder warnen mich vor dem gefährlichen Abstieg in Richtung Feichteck, aber ich beschließe, mir die Sache erst einmal selbst anzusehen. So wie’s bald aussieht, gibt es drei Varianten: entweder über den Grat balancieren, die breite, schrofige Felswand absteigen (ohne den optimalen Weg zu kennen) oder zurück über das Karkopf und den Weg außen herum nehmen. Kurzentschlossen entscheide ich mich für die letzte Variante und nehme einen zusätzlichen Kilometer schnell unter die Füße. Das Feichteck lasse ich aus, schließlich muss ich sowieso noch einmal herkommen, um den etwas kniffligen Abstieg noch einmal, dann aber im Aufstieg auszuprobieren.

Die Südseite des Karkopfs wirkt deutlich zahmer
Die Südseite des Karkopfs wirkt deutlich zahmer

Der lange Abstieg beginnt

Nach der Gratwanderung tauche ich nun wieder in den meist dichten Wald ein. Es geht so zügig auf dem Fahrweg abwärts, dass ich fast den Steig zur Doaglalm verpasse. An dieser Einkehrmöglichkeit steppt der Bär: man kommt gut mit dem Kinderwagen vom Parkplatz dort hinauf und es gibt einen Kinderspielplatz. Ich schone meine Ohren und möchte gleich auf meinen fortsetzenden Steig abzweigen. Allerdings ist mir bei der Vorbereitung entgangen, dass dieser ab ca. Mitte Oktober aus Naturschutzgründen gesperrt ist. Ich respektiere das Verbotsschild – und gehe den nächsten ungeplanten Umweg an …

An der Doaglalm kommt endlich die Sonne raus ...
An der Doaglalm kommt endlich die Sonne raus …

Ich folge also dem Fahrweg, auf dem so viele Familien unterwegs sind und überhole Kinderwagen um Kinderwagen. Schließlich erreiche ich den schockierend großen Parkplatz, von dem aus ich für einen guten Kilometer der vielbefahrenen Fahrstraße folgen muss. Es gibt schönere Passagen, aber keine Alternative. Erst, als ich den Gasthof Duftbräu erreiche (sicherlich eine frühe Form bayerischen Marketings), kann ich wieder auf schöne Fußwege abbiegen und bin zurück auf meinem geplanten Weg nach Brannenburg. Erfreulicherweise zeigt sich jetzt auch wieder öfters die Sonne!

Herbstfarben beim Abstieg in Richtung Samerberg
Herbstfarben beim Abstieg in Richtung Samerberg

Es bleiben viele Kilometer bis Brannenburg

Vom Berg bin ich nun zwar schon weitgehend hinabgestiegen, vor liegt aber noch eine lange Wegstrecke. Die wellige Landschaft des Samerbergs verlasse ich bald und tauche mal wieder tief in einen Wald ein. Ein Kreuzweg begleitet mich bis zur Einsiedelei Maria Heimsuchung. Die Wallfahrtskirche liegt still auf einer Lichtung im herbstlichen Wald, ohne jeden Zweifel ein kraftvoller Ort!

Die Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung liegt bereits im Schatten
Die Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung liegt bereits im Schatten

Auch von Nußdorf führt ein Pilgerweg zur Kirche hinauf, den ich für meinen Abstieg ins Inntal nutze. Vom kleinen Örtchen Nußdorf bekomme ich selbst kaum etwas mit, denn ich wähle den Fußweg entlang des Steinbachs. Dieser leitet mich auf direktem Weg durch Nußdorf, dessen Bewohner sich vor mir zu verstecken scheinen. Niemand ist zu sehen, nur wenn der Wind durch die herbstlichen Laubbäume zieht, gibt es auch etwas zu hören. Eine passende Kulisse für einen apokalyptischen Film?

Herbstfarben in Nußdorf
Herbstfarben in Nußdorf

Am Dorfausgang ist die Stille allerdings vorbei. An einer vielbefahrenen Straße entlang gehe ich weiter zum Inn. Dank einer nachgelegenen Staustufe ist hier er sehr breit und mächtig. Früher war der Inn auch der wichtigste Transportweg zwischen Hall und Rosenheim, aber diese Zeiten sind längst vorbei. Schiffe fahren hier längst nicht mehr. Als Verkehrsweg abgelöst wurde der Inn durch die Eisenbahn und später durch die Autobahn, die ich als nächstes überquere. Ein Auto nach dem anderen und viele LKWs rollen lautstark über die Betonplatten. Auf der anderen Seite wird’s erst wieder ruhiger, als ich kurz vor Brannenburg in eine Seitenstraße einbiege. So erspare ich mir den Weg durch den Ort und erreiche direkt den Bahnhof – nach etwa 25 km zählt dann doch so langsam jeder einzelne Meter Wegersparnis …

Ein letzter Blick zurück zur Hochries vom Bahnhof in Brannenburg
Ein letzter Blick zurück zur Hochries vom Bahnhof in Brannenburg

Fazit

Zwar war die Wettervorhersage schon wieder besser als die Realität, immerhin bin ich an diesem Tag trocken am Gipfel angekommen. Letztendlich war die groß angelegte Überschreitung der Hochries konditionell kein größeres Problem. An meiner allgemeinen Tourenplanung sollte ich allerdings mal wieder arbeiten: einige Überraschungen sorgten für Improvisationsbedarf. Zum Ausgleich darf ich für Feichteck und dem direkten Anstieg zum Karkopf noch einmal wiederkommen, was ich sehr gerne machen werde. Und vielleicht scheint dann zur Abwechslung auch den ganzen Tag die Sonne?

Tourendatum: 29. Oktober 2022

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