Berg-Ge(he)n

We did Vernazza!

Dieses Puzzle von Vernazza war die Urlaubsinspiration!

Gestern durften wir beim Warten auf einen Platz im besten Restaurant von Manarola einem Amerikaner zuhören, der seine vermutlich zufälligen Gesprächspartner voller Überzeugung wissen ließ: „I did Vernazza yesterday!“. Nun ja, wenn der nur wüsste, dass wir Vernazza schon im Winter in München gemacht haben. Nachdem wir die 1.000 inspirierenden Teile im Februar zusammengesetzt hatten, war es auch nicht mehr weit bis zum Buchen der Urlaubswoche in den Cinque Terre. Und heute machen wir uns auf den Weg, das schöne Puzzle-Motiv selbst zu erkunden!

Einsamer Aufstieg nach Volastra

Die gestrige, recht kurze Wanderung nach Rio Maggiore hat mir gut gefallen. Zu Fuß unterwegs zu sein hat schließlich einige Vorteile: wir können überall anhalten, wo uns die Aussicht gerade gefällt. Auch die Geräusche des brandenden Meeres oder die Gerüche der Blumen und Pflanzen sind gleich viel intensiver wahrzunehmen. Ich freue mich also sehr auf unsere heutige Wanderung über Corniglia nach Vernazza. Diese wird etwas bergiger ausfallen, da auch der Küstenweg von Manarola nach Corniglia wegen Baufälligkeit gesperrt ist. Die Umleitung führt erst einmal weit die Hügel hinauf nach Volastra. Und nachdem wir von unserer Terrasse schon zahlreiche Touristen beobachten konnten, die mitten in der Sonne die steilen, mühevollen Wege nach Volastra in Angriff genommen haben, stöbere ich etwas in den Karten. Wie erhofft, finde ich einen alternativen, Schatten versprechenden Weg, der sich schon bald als überaus lohnend herausstellen wird!

Manarola bleibt ebenso zurück wie das Ligurische Meer
Manarola bleibt ebenso zurück wie das Ligurische Meer

Der erste Teil unseres Anstiegs ist noch beschildert und markiert, aber das wird alles bald weniger werden. Dennoch merken wir rasch, dass auf den gewählten Wegen nicht mehr viele Menschen unterwegs sind. Eine Schlange sonnt sich auf einer alten Brücke unterhalb des kleinen Dörfchens Groppo – und macht sich erst davon, als wir um die Ecke biegen. Das Dorf selbst liegt regelrecht ausgestorben da, hier gibt es keine Touristen, keine Bars, vielleicht nicht einmal Ferienwohnungen. Und dabei liegt eines der wichtigsten touristischen Zentren Italiens nicht einmal 30 Gehminuten entfernt!?

Beschilderung und Markierung sind vorhanden. Nur keine Touristen?
Beschilderung und Markierung sind vorhanden. Nur keine Touristen?

Jenseits von Groppo laufen wir auf einem zunächst noch guten Weg weiter in Richtung Volastra. Links und rechts wächst allerlei Obst und Gemüse. Frisch geerntete Kaktusfeigen und gelesene Trauben stehen in Kisten neben dem Weg: hier muss der örtliche Bauer wohl keine Angst haben, dass sich die Touristen an seiner Ernte bedienen. Tatsächlich sehen wir in kurze Zeit später einen örtlichen Landwirt bei der Traubenlese mit einem Helfer. Unseren Gruß erwidert er überrascht, aber freundlich. Hier kommt wohl kaum mehr jemand vorbei …

Die Kaktusfeigen direkt neben dem Steig nach Volastra sind erntereif
Die Kaktusfeigen direkt neben dem Steig nach Volastra sind erntereif

Bald gehen die Weinstöcke in Olivenhaine über, die ihrerseits den Übergang in den Wald vermitteln. Der Steig wird schmaler, die Bäume und Sträucher rücken näher heran, teilweise fühlen wir uns wie in einem grünen Tunnel. Schließlich erreichen wir terrassiertes Gelände, in dem wir uns endgültig aufwärts orientieren. Die unteren Terrassen sind oft noch verwahrlost und werden scheinbar nicht mehr genutzt. Weiter oben, am Rande des Dorfes, sieht das schon wieder anders aus. Hier treffen wir auch auf die Trasse einer Monorackbahn, mit der die steilen Hänge in den Cinque Terre leichter zu bewirtschaften sind. Wenige Minuten später erreichen wir dann auch schon die Kirche von Volastra, die Zivilisation hat uns wieder.

Kaum zu glauben, aber der offizielle Weg führt hier hindurch!
Kaum zu glauben, aber der offizielle Weg führt hier hindurch!

Ungewohnte Touristenströme

Nach einer Trinkpause machen wir uns auch schon wieder auf den weiteren Weg nach Corniglia. Besondere Steigungen sind nicht mehr zu erwarten, da wir ja schon ordentlich an Höhe gewonnen haben. Die Orientierung ist auch keine Herausforderung mehr, denn der weitere Weg ist stark frequentiert. Wir reihen uns also in die endlos anmutende Schlange der Touristen ein – und erfahren so ganz nebenbei viel über die Reiseplanungen von Amerikanern auf Europaurlaub.

Stau auf dem Weg nach Corniglia
Stau auf dem Weg nach Corniglia

Dabei vernachlässigen wir aber nicht die Landschaft, denn es gibt viel zu sehen! Immer wieder führt uns der meist gute Steig durch die terrassierten Weinberge, von denen aus meist ein schöner Blick hinunter zum Ligurischen Meer möglich ist. Die eine oder andere Weinverkostung ist entlang des Weges möglich, was bei anderen Touristen auf reges Interesse stößt. Wir verzichten dankend, wir haben ja noch den einen oder anderen Kilometer vor uns!

Die bestens vor hungrigen Touristen geschützten Trauben sind lesereif
Die bestens vor hungrigen Touristen geschützten Trauben sind lesereif

Corniglia wird von Hornissen verteidigt

Ein Blick auf die Karte verrät: der Steig bleibt bis zur Höhe von Corniglia auf etwa gleicher Höhe und fällt dann erst zum nächsten Dorf der Cinque Terre auf unserem Weg nach Vernazza ab. Was der geneigte Mathematiker gleich mit der Dreiecksungleichung assoziiert, zieht sich dementsprechend etwas in die Länge. Zum Ausgleich können wir schön nach Corniglia hinabschauen, das auf einem Felsenvorsprung recht weit über dem Meer liegt.

Ein schönes Blickfenster hinunter nach Corniglia
Ein schönes Blickfenster hinunter nach Corniglia

Schließlich geht es steil abwärts nach Corniglia. Der Weg wird dabei immer besser, bald sind sogar mit Natursteinen gepflasterte Stufen vorhanden. Bereits in Sichtweite der ersten Häuser des Orts gibt’s aber einen Stau. Eine Gruppe der omnipräsent erscheinenden Amerikaner möchte nicht so recht weitergehen: ein paar Hornissen fliegen einige Meter unterhalb aufgeregt umher. Naja, kann ja nicht allzu schlimm sein – und als ich nach einer Kehre langsam in die Nähe des Nests komme, beruhigen sich auch schon wieder alle Gemüter. Ich schlendere also von sicherer Position recht entspannt los und mache mir keine Sorgen. Es sind noch 3, vielleicht 4 Meter bis zur interessanten Passage, als ein Amerikaner wild gestikulierend und schreiend hinter mir losrennt. Ich rufe ihm zwar noch zu, dass das wohl keine gute Idee sei, aber es hilft nichts mehr. Und ich kann mich noch glücklich schätzen, die allein drei Stiche im Hinterkopf sind jedoch niemanden zur Nachahmung empfohlen.

Der Dorfplatz von Corniglia dient fast ausschließlich der Gastronomie
Der Dorfplatz von Corniglia dient fast ausschließlich der Gastronomie

Doro kommt glimpflich am Hornissennest vorbei und hat glücklicherweise einen allerletzten Rest kortisonhaltiger Salbe im Rucksack. Die wichtige Erstversorgung ist der Einstichstellen ist also gesichert. Passenderweise gibt’s in Corniglia eine winzige Apotheke, die nicht nur zufälligerweise offen hat, sondern uns Nachschub an Salbe gerne verkauft. Auf den Schreck hin suchen wir uns ein schattiges Plätzchen und machen erst einmal eine längere Pause. Zwar denke ich über einen Abbruch der Tour und eine rasche Rückkehr per Zug nach Manarola nach, aber die befürchtete starke Schwellung der Haut bleibt aus. Die Kopfschmerzen sind allerdings mehr als nervig, werden mich aber nicht davon abhalten, Vernazza zu erreichen. Weiter geht’s!

Corniglia liegt oberhalb des Meeres und bietet somit eine schöne Aussicht
Corniglia liegt oberhalb des Meeres und bietet somit eine schöne Aussicht

„Buy a Cinque Terre-Card in Vernazza!“

Etwas weniger beschwingt als zuvor gehen wir die letzten Etappe nach Vernazza an. Das Kassenhaus am Beginn des Wanderwegs erinnert uns daran, dass die wichtigen Verbindungswege zwischen den Dörfern entweder gesperrt oder kostenpflichtig sind. Aber unser Versuch, die benötigte Cinque Terre-Card zu erwerben, schlägt unerwartet fehl, die Dame an der Kasse hat gerade anderes zu tun: „Buy a Cinque Terre-Card in Vernazza!“. Dann halt nicht. Immerhin ist der Weg jetzt kontinuierlich gut in Schuss, auch wenn das felsige Gelände nicht mehr so schön ist. Die Tiefblicke hinunter zum Meer sind eine Seltenheit, es fühlt sich nach Pflichtprogramm an. Zumal eine fette Regenwolke vom Meer hereinkommt, uns glücklicherweise aber knapp verfehlt.

Blick über Corniglia zurück nach Manarola
Blick über Corniglia zurück nach Manarola

Noch ein letztes Ausflugslokal, dann erreichen wir den finalen Abstieg nach Vernazza. Vernazza! Ich glaube, mich an jeden einzelnen Strommasten persönlich zu erinnern, die sich im Zickzack den Hang hinaufziehen und die ich mühevoll für das Puzzle zusammengesucht habe. Aber auch der Blick hinunter zum Dorf ist großartig: wir sind da!

Vernazza!
Vernazza!

Insta-Hotspot Vernazza

Der Anblick von Vernazza ist wunderschön und uns auf unheimliche Weise vertraut. Ich war noch nie zuvor dort, und dennoch kommen mir – Dank des Puzzles! – selbst einzelne Häuser überaus bekannt vor. Hier die Kirche, dort der kleine Naturhafen und der alte Turm über den Häusern … Auf dem Weg ins Dorfzentrum wird’s hinter jeder Kurve voller. Auf der Straße zwischen Bahnhof und Hafen komme ich mir vor wie in der Münchner Fußgängerzone am letzten Samstag vor Weihnachten. Wir lassen uns zum zentralen Platz am Hafen mittreiben und legen dort erst einmal eine gemütliche Pause ein. In der Hitze des Nachmittags füllen wir unsere Flaschen auch immer mal wieder mit frischen Wasser auf. Es ist zwar schon September, die Temperaturen fühlen sich allerdings wie Mitte Juli an: es ist einfach nur heiß.

Selbst in Vernazza finden wir auch eine ruhige Gasse
Selbst in Vernazza finden wir eine ruhige Gasse

Schon beim ersten Blick nach Vernazza haben wir nach dem Punkt Ausschau gehalten, von dem aus unser Puzzle-Motiv aufgenommen worden ist. Und tatsächlich führt ein Weg zu einem Aussichtspunkt hinauf, der dafür in Frage kommt. Der Unterschied von Theorie und Praxis ist allerdings, dass es gar nicht so einfach ist, in der Praxis dort hinzukommen: der erste Versuch durch die Kirche schlägt fehl, denn diese ist trotz Portal auf der anderen Seite für uns eine Sackgasse. Über viele kleine Gassen und Treppen schaffen wir es aber dann doch, hinter die Kirche zu kommen. Der Rest ist dann wieder einfach zu finden – und so stehen wir fünf Minuten später am so wunderbar vertrauten Aussichtspunkt.

Sieht fast so aus wie auf dem Puzzlemotiv!
Sieht fast so aus wie auf dem Puzzlemotiv!

Mit dem Boot zurück nach Manarola

Nach den guten Erfahrungen des Vortags, als wir mit dem Schiff von Rio Maggiore zurück nach Manarola gefahren sind, fällt uns die Entscheidung des heutigen Verkehrsmittels besonders leicht. Wir erfragen also die Abfahrtszeit des letzten Schiffs und erkunden in der Zwischenzeit weiter Vernazza. Viel ist nicht mehr offen – Vernazza ist schließlich ein eher kleines Dorf! -, so dass wir mit einem leckeren Eis in der Hand hoch zum Turm gehen. Enge, steile Gassen und viele Treppenstufen schrecken scheinbar die meisten Touristen ab, oben angekommen ist nicht viel los. Der Ausblick über das Meer und hinunter nach Vernazza ist prima und eine Empfehlung wert!

Von der Burg Vernazzas aus kann man den Nachbarn in den Garten schauen
Von der Burg Vernazzas aus kann man den Nachbarn in den Garten schauen

Wir sind rechtzeitig zurück am Anleger des Schiffs. Das lässt noch ein wenig auf sich warten, wir schauen in der Zwischenzeit einfach der Brandung zu. Wenig später ergattern wir einen schönen, landseitigen Platz auf dem Schiffsdeck und freuen uns wieder auf die Überfahrt nach Manarola. Auf dem Meer lässt es sich an solch heißen Tagen einfach am besten aushalten. Besonders gut gefällt mir der Seeblick auf Corniglia: die bunten Häuser leuchten in der Abendsonne und machen einiges wett!

Vom Meer aus zeigt sich Corniglia von seiner schönsten Seite, oder?
Vom Meer aus zeigt sich Corniglia von seiner schönsten Seite, oder?

Fazit

Yeah, we did Vernazza – jetzt auch real und nicht nur auf der heimischen Puzzlematte! Ich hätte ja nie gedacht, was das für ein aufregender, atmosphärisch dichter Tag werden würde: die grandiose Landschaft und berauschende Einsamkeit auf dem vergessenen Weg nach Volastra, der Schmerz nach den Hornissenstichen – und dann auch noch das interessante Gefühl, Vernazza einerseits schon gut zu kennen, aber andererseits noch besser kennenlernen zu wollen. Schön war’s, trotz der vielen Touristen!

Tourendatum: 6. September 2022

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