Schon viele Jahre auf meiner Tourenwunschliste steht der Freiungen-Höhenweg in der Erlspitzgruppe. Der ist zwar auch als Tagestour machbar, aber durch die lange Anfahrt von München an den Rand des Karwendels bei Seefeld kommt mir eine Zweitagestour dann doch etwas gemütlicher und angemessener vor. Aber somit sind beide Tourentage noch etwas aufzupeppen: während ich am zweiten Tag noch den Klettersteig zur Erlspitze mitnehmen möchte, reichere ich den heutigen ersten Tourentag mit ein paar mir unbekannten Gipfeln bei Seefeld an.
Inhalt
Aufstieg über Skipisten zum Seefelder Joch
Nach der langen Anfahrt nach Seefeld mache ich mich auf den Weg zur Talstation der Bahn zur Rosshütte. Obwohl Seefeld zu Österreichs führenden Fremdenverkehrsorten gehört, bekomme ich davon auf meinem Weg zunächst nichts mit. Erst an der Talstation tummeln sich die Touristen, der nahe Parkplatz scheint wohl ganz gut gefüllt zu sein. Wenige Meter hinter der Talstation wird’s aber schon wieder ruhiger, die Mehrheit möchte wohl lieber etwas bequemer Höhe gewinnen als ich es vorhabe. Zunächst folge ich einer Skipiste, biege aber bald ins schattige Hermannstal ab, was an dem warmen Tag durchaus seine Vorteile hat: auch der beste Steig wird irgendwann steiler und anstrengender. Nicht zuletzt wegen dem späten Start wird’s ein schweißtreibender Tag werden …
Bald schon erreicht der Steig die Skipisten: in der prallen Sonne geht’s für mich nun weiter nach oben. Die steilen Hänge mögen sicherlich im Winter für die Skifahrer schön sein, im Sommer ist ihr Flair allerdings überschaubar schön. An der Rosshütte ist einiges los, trotz Corona scheint die Gastronomie auch an Werktagen zu florieren. Der weitere Anstieg zum Seefelder Joch ist zwar leicht, aber noch einmal besonders steil. Etwas neidisch bin ich schon, in regelmäßigen Abständen die Gondel der Seilbahn über mir fahren zu sehen. Aber dann ist es schon geschafft – und ich freue mich auf die ersten Blicke ins Herzen des Karwendels. Es hat ein paar Jahre gebraucht, bis ich mich mit dieser Gebirgsgruppe angefreundet habe, kann aber mittlerweile gar nicht mehr genug davon bekommen.
Auf den Spuren meiner Großeltern
Durch die lange Anfahrt nach Seefeld ist es jetzt schon Mittag. Ich mache mich also erst nach einer ordentlichen Verpflegungspause auf den weiteren Weg zur bereits nahen Seefelder Spitze. Der Gipfelabstecher gehört zum fast schon üblichen Programm der Seilbahntouristen: und das bereits mindestens seit 50 Jahren! Denn schon meine vor vielen Jahren verstorbenen Großeltern waren hier bei ihrem Seefeld-Urlaub Anfang der 70er unterwegs und haben – in Person meines Großvaters – ihre Gipfelbesteigung der Seefelder Spitze mit einer der ersten kompakten Videokameras dokumentiert. Als Jugendlicher durfte ich mit meinen Geschwistern diesen Film einmal sehen und erinnere mich noch gut daran: in festen Straßenschuhen stapft meine Großmutter den Kamm hinauf und schaut bei ihren regelmäßigen Verschnaufpausen etwas verschmitzt in die Kamera.
Für mich ist der immer wieder etwas ausgewaschene, manchmal leicht rutschige Weg keine große Herausforderung. Für meine Großeltern, die weite Teil ihres Lebens im Ruhrgebiet und somit weit weg von den Bergen verbracht haben, wird der kurze Abstecher von der Seilbahn zum Gipfel jedoch sicherlich ein kleines Abenteuer gewesen sein: beide haben zwar gerne die Berge von unten oder im Fernsehen angeschaut, sind aber nur sehr selten in Urlaub gefahren und haben nur bei wenigen Gelegenheiten tatsächlich eigene Bergerfahrungen sammeln dürfen. Umso mehr freut es mich, dass sie sich trotz aller nötigen Anstrengungen dieses Ziel damals vorgenommen und erreicht haben. Wie gerne würde ich Ihnen von meiner heutigen Tour, meinen Eindrücken berichten und Fotos zeigen können…
Mit der Erinnerung an Kindertage im Kopf stehe ich schneller auf der Seefelder Spitze als gedacht. Ein kleines Holzbankerl direkt am Gipfelkreuz ist frei und ich nutze die Gelegenheit für eine kurze Gehpause. Die wird schließlich ein wenig länger dauern, denn ich entdecke den Ausstieg eines Klettersteigs – und bin etwas erstaunt, denn ich habe bisher davon weder etwas gelesen noch in Karten entdeckt. Oder ich werde doch langsam vergesslicher. Auf jeden Fall muss ich direkt recherchieren, was dank der großartigen Mobilfunkverbindung am Gipfel auch problemlos möglich ist: schnell finde ich heraus, dass der Klettersteig erst wenige Wochen zuvor eröffnet worden ist. Das Topo sieht jedenfalls ganz prima aus, ich werde also vielleicht schon im nächsten Jahr zur Seefelder Spitze zurückkommen!
Abstecher zum Härmelekopf
Während meine Großeltern sich damals nun auf den Rückweg gemacht haben, steht mir der spannende Teil des Tages noch bevor: das Gelände wird alpiner, der Steig für meinen Weiterweg taucht noch einmal tief ins Reither Kar ab. Tiefer jedenfalls als früher, denn ich entdecke einen schon recht unscheinbaren Abzweig eines alten, gesperrten Steigs. Mit einigen zusätzlichen Höhenmetern vor der Brust gehe ich aber davon unbeeindruckt den Anstieg durch das Kar in die Scharte zwischen Härmelekopf und Reither Spitze an. Die Steigspur sah von der Seefelder Spitze etwas dünn aus, stellt sich dann vor Ort aber als ganz passabel heraus. Die letzten Meter sind etwas felsiger, aber dann stehe ich schon in der Scharte – und somit wieder in der Sonne.
Bevor ich aber zum bergsteigerischen Finale die Reither Spitze angehe, bleibt noch der kurze Abstecher zum Härmelekopf. Ich bin mir nicht ganz sicher, was mich dort erwarten wird. Von der Seefelder Spitze und aus dem Karboden ist dieser faktische Nebengipfel der Reither Spitze felsig und vielgipfelig, wie wird wohl die andere Seite aussehen?
Um es kurz zu machen: der Härmelekopf ist sehr unspektakulär. Die Westseite ist sanftmütig – und die nahe Bergbahn sorgt für einen gemütlichen Steig. Ein nennenswertes Ziel ist der Härmelekopf aber definitiv nicht, denn zahlreiche Schafköttel machen den Aufenthalt ungemütlich. Sitzmöglichkeiten? Absolute Fehlanzeige! Aber die Reither Spitze lässt sich von hier durchaus schön betrachten.
Böen auf der Reither Spitze
Mit diesem schönen Ziel vor Augen mache ich mich auf den Rückweg in die Scharte. Den nordwestlichen Aufstieg zur Reither Spitze kenne ich noch nicht, erkenne aber bald einige Parallelen zum wohlbekannten Weg von der Nördlinger Hütte: es ist steil, hin und wieder darf ich eine Hand an den Fels legen und ein paar Versicherungen helfen über schwierigere Passagen angenehm leicht hinweg. Höhenmeter für Höhenmeter wird jedoch der Winter stärker, am Gipfel ist es dann durchaus windig. Das trotz mittlerweile zahlreicher Wolken tolle Panorama lässt mich aber lange aushalten, bis ich dann doch zur Nördlinger Hütte absteige. Mein letzter Besuch liegt schon einige Jahre zurück, ich freue mich jedenfalls über meine erste Übernachtung auf dieser im Karwendel höchstgelegenen Hütte!
Ich habe es kaum zu hoffen gewagt, aber die Hütte samt Terrasse liegt ziemlich gut im Windschatten. Ich genieße mein Spezi und bleibe bis zum Abendessen draußen sitzen. Im Laufe des Abends kommt sogar trotz der Corona-Einschränkungen etwas Hüttenstimmung auf, was vor allem auf eine Gruppe von Saarländern zurückzuführen ist, die mit dieser Übernachtung ihre (entgegen der üblichen Richtung) beendete Karwendelrunde feiern. Der Hüttenwirt macht noch Werbung für den Kaiserschmarrn zum Nachtisch, den ich auch spontan ordere. Die Portion ist so riesig wie lecker – und ich liege bald pappsatt auf der Bank. Vielleicht bin ich aber auch einfach etwas müde? Morgen geht’s jedenfalls mit dem Freiungen-Höhenweg für mich zeitig weiter, so dass ich den Abend bald beschließe – und mich über meine Ohrstöpsel zur notwendigen Dämpfung saarländischer Lebensfreude freue.
Fazit
Der erste Tourentag war durchaus abwechslungsreich, die Nähe von Seefeld und die Nebenwirkungen der zahlreichen Bergbahnen aber kaum zu verleugnen. Morgen wird’s dann sowohl einsamer als auch deutlich alpiner werden – ich freue mich auf den Freiungen-Höhenweg!
Tourendatum: 13. September 2021
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