Die Wettervorhersage für den vierten Tourentag ist leider schlechter geworden: ab dem frühen Nachmittag sind zunächst Wolken, später auch Schauer zu erwarten. Schon wieder ein gewichtiger Grund für einen sehr frühen Start.
Inhalt
Früher Start nach spärlichem Frühstück
Der Wecker klingelt im Lager bei fast allen sehr früh. Die Engländer, die wohl nicht so früh aufbrechen wollten, sind dann unfreiwillig auch wach – Tja, Pech gehabt. Als ich in die Gaststube runtergehe, wird das Frühstück gerade angerichtet: jeder bekommt seinen eigenen Teller mit Brotschreiben, Butter, Marmelade, Wurst und Käse. Wer beim Abendessen bewusst oder zufällig ein vegetarisches Gericht gewählt hatte, muss allerdings ungefragt auf die Wurst verzichten. Es dauert nicht lange, bis sich ein reger Brotbelagschwarzmarkt etabliert. Glücklicherweise wird am Ende jeder halbwegs satt sein …
Den Rucksack packe ich mittlerweile ganz routiniert, die letzte Etappe kann beginnen. Ich verabschiede mich von Svenja und Theresa, die heute zur Geraer Hütte gehen. Ich drücke die Daumen, dass sie es bis zum Gardasee schaffen!
Langweilige Wege zum Spannagelhaus
Noch ist das Wetter vorzüglich, das Tuxer Joch liegt knapp über der Hochnebeldecke. In der Morgensonne mache ich mich an den kurzen Abstieg in Richtung Sommerbergalm. Nur wenig oberhalb der Wolkendecke quere ich einen Wiesenhang hinüber an den Fuß des Tuxer Gletschers. Breite Straßen durchqueren das Gelände, Baustellenfahrzeuge und LKW fahren unablässig hoch und runter. Die Seilbahn fährt auch schon, die meisten Gondeln sind trotz der frühen Uhrzeit besetzt.
Der Wegverlauf entlang der Fahrstraße ist öde und staubig. Die Aussicht auf einen heißen Tee und ein Stück frischen Kuchens motiviert mich zusätzlich, rasch zum Spannagelhaus aufzusteigen: das Frühstück im Tuxer-Joch-Haus verdient eine Abrundung. Als ich endlich die stattliche Hütte erreiche, weht keine Fahne im Wind. Das Spannagelhaus hat geschlossen – das war so nicht geplant! Ich versorge mich also aus dem Rucksack. Und dann geht’s auch schon weiter – das Wetter wird ja nicht besser werden …
Die Friesenbergscharte ist ein schmaler Durchschlupf
Jenseits des Spannagelhauses wird das Gelände alpin. Ich folge dem gut markierten Steig, der aber zunächst etwas an Höhe verliert. Zu allem Überfluss muss ich auch noch ein Schneefeld im steilen Gelände umgehen, was einiges an Kraft kostet. Der weitere Anstieg zur Friesenbergscharte verläuft aber problemlos: die Wegspur sucht sich recht geschickt ihren Weg durch das gelegentlich unübersichtlich wirkende Gelände. Ein letzter, steiler Aufschwung – und ich stehe in der winzigen Scharte. Dünne Personen sind hier klar im Vorteil!
Die Wolken werden immer mehr, aber noch kommt immer wieder die Sonne heraus. Ich mache mich also gleich an den Abstieg, denn hier möchte ich nicht von Regen überrascht werden. In Anbetracht der steilen Abstürze ist der Steig ganz prima angelegt, die Seilversicherungen aber abschnittsweise sehr hilfreich. Schon nach einer halben Stunde ist das Schlimmste geschafft, deutlich entspannter steige ich weiter in Richtung Friesenbergsee ab. In einer Wegkehre entdecke ich ein junges, unbeaufsichtigtes Murmeltier: Zeit für einen Fotostopp!
Als ich den quer verlaufenden Berliner Höhenweg erreiche, wartet die zweite negative Überraschung des Tages auf mich: der direkte Abstieg zum bereits nahen Friesenberghaus ist wegen eines Bergrutsches gesperrt, Schilder empfehlen den Weg über das Petersköpfl. Der Höhenweg ist wunderschön, im Blockgestein komme ich aber nur langsam voran. Als ich endlich das Friesenberghaus erreiche, habe ich schon ordentlich Hunger.
Regen am Friesenberghaus
Während der Mittagspause im Friesenberghaus werden die Wolken um die Gefrorene-Wand-Spitzen immer dunkler, bald beginnt es auf der Kammhöhe zu regnen. Glücklicherweise bewegen sich die Wolken kaum, so dass ich die sehr leckere Hauswurst mit Knödel und Kraut noch im Trockenen genießen kann. Kaum habe ich aber aufgegessen, beginnt es auch am Friesenberghaus zu regnen. Wenige Meter weiter scheint noch die Sonne, so dass ich mich direkt an den Abstieg mache. Und tatsächlich geht der Plan auf: nach einer Viertelstunde bin ich wieder im Trockenen, gelegentlich kommt auf dem Weg zum Schlegeisspeicher sogar die Sonne heraus!
Während der letzten Stunde des Abstiegs wird mir bewusst, dass diese Tour gleich enden wird. Wie gerne wäre ich weitergelaufen! Aber heute ist Freitag, die Hütten sind wegen dem Wochenende jetzt alle vollständig belegt. Somit bleibt mir nur die Heimfahrt – aber ich freue mich schon, bei passender Gelegenheit hier die Tour fortzusetzen: die Grenze zu Südtirol ist nur mehr zwei Stunden entfernt, das Pustertal in 1,5 Tagen erreichbar.
Abwechslungsreiche, aber lange Rückfahrt
Pünktlich zur Busabfahrt erreiche ich den Schlegeisspeicher. Der Busfahrer pflegt einen recht optimistischen Fahrstil, der zunächst zur Erheiterung der Fahrgäste beiträgt. Im Laufe der Fahrt nach Mayrhofen werden die starken Beschleunigungs- und Bremsvorgänge allerdings zunehmend anstrengend. Immerhin klappt der Umstieg auf die Zillertalbahn auf diese Art und Weise perfekt. Die Fahrt mit der Schmalspurbahn nach Jenbach ist der überaus gemütliche Kontrast zur Busfahrt zuvor und gefällt mir sehr. Mit Regionalzügen erreiche ich am Abend München – müde, aber sehr zufrieden und voller Eindrücke der letzten vier Tage!
Tourendatum: 11. September 2020
Schön geschrieben und toll bebildert – vielen Dank für deine Berichte! Da bekommt man gleich wieder Lust auf eine Hüttentour 🙂
Gruß
Rebecca