Berg-Ge(he)n

Buchempfehlung: „Die ultimativen Wanderwege in den Alpen“

Die ersten Sonnenstrahlen erreichen die Große und Kleine Klammspitze

Deutet der Titel bereits viel Inspiration für zukünftige Tourenerlebnisse an, setzt der Untertitel „50 legendäre Routen“ des neuesten Buchs von Michael Pröttel die Meßlatte noch einmal deutlich höher. Da lohnt natürlich ein genauerer Blick ins Buchinnere, ob der Autor dieses Versprechen auch tatsächlich einhalten kann!

Über den Autor

Michael Pröttel ist in der bayerischen Bergszene wahrlich kein Unbekannter. Zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge sorgen dafür, dass fast jeder Berggänger schon einmal etwas von ihm gehört, gesehen oder gelesen hat. Die Liste seiner Bücher und Zeitschriftenartikel ist mehr als lang – und wird in der Anzahl nur noch vom wöchentlichen Bergbericht des Deutschen Alpenvereins übertroffen, den er seit vielen Jahren so gewissenhaft wie lesenswert zusammenstellt. Die Bergbegeisterung des Autors ist bei seinem Wohnort aber auch kein Wunder: von den höchsten Hügeln des Fünfseenlands sind die Gipfel der Bayerischen Alpen bei gutem Wetter immer im Blick und nie weit entfernt!

Titelabbildung "Die ultimativen Wanderwegen in den Alpen. 50 legendäre Routen"
Titelabbildung „Die ultimativen Wanderwegen in den Alpen. 50 legendäre Routen“

Worum geht’s nun genau?

Der Autor hat in seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz gekramt und sage und schreibe 50 Mehrtagestouren vorwiegend in den Ostalpen für das Buch ausgesucht. Sicherlich war das in gleich zweierlei Hinsicht keine leichte Aufgabe: schön ist es bekanntlich fast überall in den Alpen und eine angemessene Beschreibung von 50 Mehrtagestouren auf begrenztem Platz offensichtlich eine Herausforderung für sich. Michael Pröttel hat dieses Dilemma so gelöst, indem er 30 Touren sehr ausgiebig beschreibt. Zum Ende der ersten sechs (von sieben) geographischen Abschnitte folgen noch einmal jeweils drei weitere Tourenvorschläge, die knapp angerissen werden. Aber halt! Wer nun genau mitgezählt hat, hat sicherlich bereits gemerkt, dass das mit den 50 Touren nicht stimmt. Und tatsächlich, es sind wirklich 51! Wo sonst gibt’s das noch, dass mehr drin ist als drauf steht?

Alpin anzusehen, aber weitgehend zu erwandern: das Rofangebirge
Alpin anzusehen, aber weitgehend zu erwandern: das Rofangebirge

Inhaltlich gesehen handelt es sich bei den Touren ausschließlich um Mehrtagestouren. Etwa zwei Drittel davon dauert dabei zwei oder drei Tage, Fernwanderungen mit sieben oder mehr Tagen spielen keine besondere Rolle. Der längste Tourenvorschlag ist dabei der Dolomiten-Höhenweg Nr. 1, der in etwa zehn bis zwölf Tagen zu bewältigen ist. Oft reichen also wenige Urlaubstage aus, um die Tourenvorschläge in der Praxis erproben zu können. Ob dabei Brückentage hilfreich sind, wie vom Autor vorgeschlagen, ist dabei allerdings bekanntlich Geschmackssache: meistens sind gerade an diesen verlängerten Wochenenden viele Hütten besonders gut besucht.

Der Dolomiten-Höhenweg Nr. 1 quert zu Beginn die Sennes-Hochfläche
Der Dolomiten-Höhenweg Nr. 1 quert zu Beginn die Sennes-Hochfläche

Die meisten Routen sind als Überschreitung konzipiert. Da ist es keine Überraschung, dass die Hinweise zur An- und Abreise ausschließlich auf die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel abzielen. Das ist absolut zeitgemäß und vorbildlich!

Beispiele für enthaltene Tourenvorschläge

Im Detail beschrieben werden unter anderem:

  • eine nicht ganz unbekannte Querung des Wettersteingebirges von Garmisch-Partenkirchen nach Ehrwald
  • die Umrundung des Gosaukamms im Dachsteingebirge zwischen Salzburg und Oberösterreich
  • die äußerst anspruchsvolle Via Alta della Verzasca im Tessin
  • der entlang der Grenze von Nord- und Südtirol verlaufende Landshuter Höhenweg
Ruhige Pfade am Rande des Wettersteingebirges
Ruhige Pfade am Rande des Wettersteingebirges

Vor allem die etwas bekannteren Wege werden nur kurz angerissen. Zu nennen sind unter anderem:

  • der großartige Toni-Gaugg-Höhenweg im Karwendel
  • die Überschreitung von Hochfelln und Hochgern im Chiemgau
  • der recht gemütliche Vinschgauer Höhenweg
Der Vinschger Höhenweg führt auch durch das idyllische Matscher Tal
Der Vinschger Höhenweg führt auch durch das idyllische Matscher Tal

Zielgruppe: erfahrene Bergwanderer

Der Schwierigkeitsgrad der Tourenvorschläge ist vergleichsweise moderat. Alpine Herausforderungen sind nur hin und wieder anzutreffen, erfahrene Bergwanderer werden auf vielen Touren im Allgemeinen gut zurecht kommen. Dennoch sind regelmäßig ausreichend Kondition, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit von Nöten. Genaueres steht natürlich bei jeder der 30 ausgiebig beschriebenen Touren. Ein separater Informationskasten „Gut zu wissen“ bietet dabei einen Überblick über die wichtigsten Aspekte des Tourenvorschlags: Gehzeiten, Entfernung und Charakter werden in prägnanter Form angegeben und natürlich auch Informationen zur An- und Abreise und den Unterkünften bereitgestellt.

Der Grasbergkamm ist eher unbekannt - aber lohnend!
Der Grasbergkamm ist eher unbekannt – aber lohnend!

Etwas knapp gehalten sind die liebevoll gestalteten Überblicksskizzen zum Routenverlauf: Details zur Orientierung fehlen, aber das macht nichts. Schließlich ist das Buch nicht gerade im Kleinformat gehalten und wird nicht in der Hosentasche Platz finden. In den Rucksack gehört’s definitiv auch nicht: es wäre doch jammerschade, wenn das schwere Buch dort feucht oder geknickt werden könnte. Also empfiehlt es sich, separates Kartenmaterial bei der heimischen Vorbereitung als auch vor Ort zu nutzen.

Bei der Begehung des Inntaler Höhenwegs immer im Blick: der Alpenhauptkamm
Bei der Begehung des Inntaler Höhenwegs immer im Blick: der Alpenhauptkamm

Die verbleibenden 21 weiteren Tourenvorschläge sind offenbar mehr als Anregung zu verstehen. Für eine Begehung anhand des vorliegenden Buches reichen die Informationen jedenfalls kaum aus. Neugierig machen die Texte dennoch! Und wer schon etwas Erfahrung mit Mehrtagestouren hat, wird problemlos die notwendigen Informationen selbst recherchieren können.

Einsamkeit oberhalb der Weitenbergalm in den Pfunderer Bergen
Einsamkeit oberhalb der Weitenbergalm in den Pfunderer Bergen

Lesens- und sehenswerte Wegbeschreibungen

Jeder der 30 ausgiebig vorgestellten Routen widmet Michael Pröttel mehrere Seiten. Dabei stellt er in bewährter Manier zunächst in einigen Sätzen die Tour vor, bevor dann die eigentliche Wegbeschreibung beginnt. Diese ist sinnvollerweise in die jeweiligen Tage unterteilt und meistert ausgezeichnet die notwendige Balance zwischen Details und Überblick. Ganz wie von selbst flechtet der Autor dabei auch Wissenswertes und persönliche Erlebnisse ein. Die Texte wirken einerseits leicht und locker und verbinden andererseits Michael Pröttel mit seinen Lesern.

Die Überschreitung des Blaubergkamms ist ein Klassiker der Münchner Hausberge
Die Überschreitung des Blaubergkamms ist ein Klassiker der Münchner Hausberge

Eine besondere Stärke des Buchs sind die zahlreichen Bilder. Neben kleineren Abbildungen fallen gerade die vielen großformatigen Bilder ins Auge. Dabei finden sich entlang der Touren zu entdeckende Panoramen genauso wie Bilder, die einen Eindruck von der Beschaffenheit des Geländes oder der Lage von Hütten vermitteln. Nicht zu kurz kommen erfreulicherweise auch sehr stimmungsvolle Aufnahmen, die einfach Lust auf die Touren machen. Es ist eine große Freude, ein so reich bebildertes Wanderbuch daheim auf dem heimischen Sofa genüsslich zu lesen!

Die Soierngruppe hat mehr zu bieten als die Aussicht von der Schöttelkarspitze
Die Soierngruppe hat mehr zu bieten als die Aussicht von der Schöttelkarspitze

Fazit und Wertung

Michael Pröttel stellt erneut seine herausragenden Qualitäten als Autor und Fotograf unter Beweis. Besonders gelungen ist die kreative Aufteilung in detailliert beschriebene und nur angerissene Tourenvorschläge. Natürlich bleibt die Auswahl der konkreten „ultimativen Wanderwege“ immer eine Geschmackssache. Angenehm positiv festzuhalten ist jedoch, dass Michael Pröttel sich dabei nicht in Superlativen ergeht und eben nicht die längsten, die gewagtesten oder einsamsten Routen rausgesucht hat, sondern für viele erfahrene Bergwanderer machbare, praxisnahe Vorschläge ausgearbeitet hat. Das bringt mit sich, dass dieses Buch sicherlich gerne und häufig in die Hand genommen werden wird! Wer gerne mehrere Tage am Stück unterwegs ist und Inspiration sucht, kann hier bedenkenlos zugreifen – die Veröffentlichung ist eine glasklare Empfehlung für jedes Bücherregal!

Das Sarntaler Hufeisen bietet mit dem Totenkirchl auch einen mystischen Platz
Das Sarntaler Hufeisen bietet mit dem Totenkirchl auch einen mystischen Platz

Bibliographische Angaben

Titel: „Die ultimativen Wanderwege in den Alpen. 50 legendäre Routen“
Autor: Michael Pröttel
Verlag: Bruckmann
ISBN: 978-3-37343-3147-3
1. Auflage 2024
Preis: 29,99 €

Offenlegung: Der Verlag Bruckmann hat mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Auf den Inhalt des Artikels hat dies keinen Einfluss, die geschilderten Eindrücke des besprochenen Buchs sind meine eigenen.

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